Balthazar: Roman (German Edition)
das zu wünschen, das kann ich dir sagen. Ich habe es mir immer und immer wieder gewünscht …« Aufgebracht wischte sich Charity mit dem Handrücken übers Gesicht; erst jetzt bemerkte Balthazar, dass sie zu weinen begonnen hatte. »Wir beide sind jetzt Vampire. Und das werden wir auch immer bleiben. Es gibt also nicht Redgraves Seite und unsere Seite . Wir sind für alle Zeiten auf der gleichen Seite. Und das verdanken wir dir.«
Balthazar stand nicht wieder auf. Der Schnee hatte sich bereits auf seinen Schultern und an der Vorderseite seines Mantels gesammelt. Die Scheinwerfer seines Autos ließen ihn sehen, dass Charitys Füße nackt und aufgerissen waren. »So einfach ist das nicht. Wir müssen nicht so wie Redgrave sein und leben.«
»Wir sind Vampire. Du machst dir nur etwas vor, wenn du so tust, als seist du noch ein Mensch.« Charitys Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. »Hast du dir deshalb eine neue Freundin gesucht? Ein einfaches, dummes, menschliches Mädchen mit dem besten Blut von allen …«
»Verurteile sie nicht. Richte über mich, wenn du das willst. Dazu hast du alles Recht. Aber nicht über Skye.«
Charity beugte sich hinunter, sodass ihr Gesicht ganz nah über dem von Balthazar war. Trotz ihres mitgenommenen Aussehens und ihrer seltsamen Singsangstimme war der Ausdruck in ihren Augen hellwach. »Oder willst du sie für dich allein haben? Willst du, dass sie deine Freundin ist, damit du ihr Blut ganz für dich allein hast und mit niemandem teilen musst?«
Hätte er darauf doch nur erwidern können, dass er von Skyes Blut noch nicht gekostet hatte. Stattdessen erhob er sich aus dem Schnee und zwang auch Charity, sich aufzurichten, bis sie einander von Angesicht zu Angesicht aufrecht gegenüberstanden. Balthazar wiederholte. »Aber nicht über Skye. Lass dich von Redgrave nicht gegen sie aufhetzen, Charity. Lass sie nicht das erleiden, was er mit mir gemacht hat … und was ich dir angetan habe.«
Charity sagte nichts und blieb reglos stehen, auch dann noch, als Balthazar zu seinem Auto zurückging und davonfuhr. Im Rückspiegel konnte er sehen, wie sie vollkommen still dort verharrte, immer kleiner wurde und schließlich vom Schnee ringsherum verschluckt wurde.
Die nächsten Tage waren … seltsam.
Skye hielt ihr Wort. Sie schrieb Balthazar während der Stillarbeit keine SMS , tauschte im Geschichtsunterricht keine Blicke mehr mit ihm und sagte lediglich »anwesend«, wenn er in der ersten Stunde die Namensliste vorlas. Es war nicht so, dass sie ihm die kalte Schulter zeigte; sie war einfach nur ruhig und höflich.
Auch Balthazar schaffte es, höflich zu bleiben, aber er war alles andere als ruhig.
Dort war Skye und lief mit diesem Vollidioten Keith den Gang hinunter. Oder sie schrieb sich mit Madison während der Freiarbeit Zettelchen, die Madison zum Kichern brachten; vermutlich ging es um Keith oder den Ball. Inzwischen bereute Balthazar aus tiefstem Herzen, dass er die Aufsicht übernommen hatte.
Am bevorstehenden Wochenende wollte sie wieder ausreiten, aber sie schlug Balthazar mit gelassener Stimme vor, dass es vielleicht sinnvoller wäre, wenn er sie in einiger Entfernung begleiten würde, damit er besser Ausschau danach halten konnte, ob es irgendwelche Verfolger gab. »Dann bin ich nicht so eine Ablenkung für dich«, sagte sie, als ob nicht immer alles an ihr eine Ablenkung darstellte, die Balthazar in den Wahnsinn trieb.
Er bewachte nachts ihr Haus, und er entschied, dass ihn das auf keinen Fall zu einem Stalker machte. Außer vielleicht in den Augenblicken, in denen sie Abend für Abend zu ihrem Fenster ging, kurz bevor sie das Licht ausmachte. Das war ihre stumme Art, ihm zu sagen, dass ihr seine Anwesenheit dort draußen bewusst war; der einzige Weg, ihm mitzuteilen, dass es ein Band zwischen ihnen gab, welches das Schweigen zwischen ihnen überdauert hatte. Der Umriss ihrer Silhouette vor dem Lichtschein, der aus ihrem Schlafzimmerfenster fiel, brannte sich in Balthazars Gedanken und blieb dort in den langen Stunden vor Sonnenaufgang.
Das Unterrichten an der Darby Glen High begann, sich wie ein ganz normaler Job anzufühlen. Auf Skye aufzupassen, wurde mehr und mehr seine Mission. Unzählige kleine Einzelheiten lenkten ihn ab – Tonia Loos’ endlose Flirtversuche im Lehrerzimmer, Madison Findleys ewige Fragen über ihre ausstehende Halbjahresarbeit über John Alden –, aber nichts brachte ihn dazu, Skye aus seinem Kopf zu bekommen.
Balthazar kam langsam zu
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