Balthazar: Roman (German Edition)
kurzer Aufenthalt in der Evernight-Akademie sehr erhellend.« Redgrave hielt eine Kette hoch, die um seinen Hals hing. Daran baumelte ein Kupferanhänger. »Die Geister verabscheuen gewisse Metalle und würden nie in die Nähe davon kommen. Das haben wir uns zunutze gemacht. Aber keine Sorge, wir verschwinden bald wieder. Und du kommst mit uns.«
Er trat einen Schritt näher, und wieder einmal spürte sie diesen seltsamen Schleier, den er über sie werfen konnte und der sie dazu brachte, sich nur nach seinem Willen zu bewegen. Skye musste es reglos über sich ergehen lassen, dass er ihr übers Haar strich und sagte: »Ich habe dich gewarnt, meine Liebe. Du hast deine Wahl getroffen. Und jetzt geht’s los.« Er beugte sich so nah, dass seine Lippen beinahe ihre Wangen berührten. »Du gehörst jetzt mir.«
25
Balthazar versuchte, der Beratungssitzung so schnell wie möglich zu entfliehen, ohne dabei unkooperativ zu wirken. Das Letzte, was er jetzt brauchte, war, dass Zaslow sich überlegte, man müsse der ganzen Sache doch noch weiter auf den Grund gehen. Kaum dass er draußen war, hörte er es zum Schulschluss gongen, und sofort waren die Gänge und der Hof voller Schüler. Er drängte sich, so gut es ging, hindurch und hastete zu seinem Auto. Schnell zu Skye zu kommen, war alles, was er im Sinn hatte.
Als er jedoch in seiner Tasche nach dem Autoschlüssel suchte, bemerkte er, dass etliche der Schüler – zumeist Mädchen, aber auch einige Jungen – ihn mit kaum unterdrückter Faszination anstarrten oder zu flüstern begannen, kaum dass er an ihnen vorbeigegangen war. Im Durcheinander des allgemeinen Gewusels bei Schulschluss verstand er nicht genau, was sie sagten, aber er konnte es sich denken … und er war sich ziemlich sicher, dass Madison diejenige gewesen war, die die Gerüchteküche ordentlich angeheizt hatte.
Aber Tratsch war im Augenblick nicht seine vordringlichste Sorge. Er holte sein Handy heraus und sah, dass er eine Nachricht von Skye hatte, die sie offenbar schon vor einer Weile an ihn abgeschickt hatte. » Redgrave hat mich angerufen. Er hat gesagt, dass es bald Zeit ist für das, was er vorhat – was auch immer das sein mag. Vielleicht schlägt er schon morgen zu. Melde dich bei mir, sobald du kannst. «
Rasch schrieb er zurück: » Ich hab’s hinter mir. Bist du okay? Bin auf dem Weg zu dir.«
Gerade, als er auf »absenden« gedrückt hatte, trat ihm jemand in den Weg und hinderte ihn am Weitergehen. Balthazar hob den Blick und sah, dass sich Madison Findley vor ihm aufgebaut hatte. Sie hatte ihre Unschuldsmiene aufgesetzt, war eindeutig zu dick geschminkt und roch nach starkem Parfüm. »Mr More!«, hauchte sie. »Ich wollte Sie nur wissen lassen … Egal, was man sich über Sie erzählt … Nun ja, ich glaube an Sie.«
Er warf ihr einen Blick zu, der ihr ein bisschen mehr von seiner wahren Macht zeigte, als er andere Sterbliche gewöhnlich sehen ließ – einen Blick, in dem die Erfahrungen von beinahe vierhundert Jahren lagen. Madison konnte natürlich nicht begreifen, was sie da sah, aber ihr Gesicht wurde deutlich blasser. »Was erzählt man sich denn so, Madison?« Balthazar beugte sich ein Stückchen näher, und der Jäger in ihm lauerte jetzt unmittelbar unter der Oberfläche. »Du scheinst darüber ja bestens informiert zu sein.«
»Ich wollte nicht … Nun ja, vielleicht hätte ich nicht davon anfangen dürfen«, brachte sie schließlich hervor.
Glaubte sie wirklich, dass sie mit ihrem Getue irgendjemanden zum Narren halten konnte? Balthazar erwiderte lediglich: »Ich werde jetzt gehen, Madison. Bitte entschuldigen Sie mich.« Damit ließ er sie stehen und machte einen Bogen um sie, als sei sie ein Haufen Abfall, dem es aus dem Weg zu gehen galt.
Als er am Rand des Parkplatzes wieder auf sein Handy sah, stellte er fest, dass Skye nicht geantwortet hatte. Es waren zwar höchstens zwei oder drei Minuten vergangen, aber Skye würde es an einem Tag wie diesem auf keinen Fall versäumen, sofort zurückzuschreiben. Es sei denn, irgendetwas hinderte sie daran.
Oder irgendjemand.
Balthazar schwang sich in sein Auto und startete den Motor. Sollten Schüler es wagen, ihm auf dem Weg vom Parkplatz auf die Straße vors Auto zu laufen, dann würde er Nolas Traum in die Tat umsetzen und einige von ihnen einfach über den Haufen fahren.
Als er mit quietschenden Reifen durch die Straßen von Darby Glen jagte, schaute er immer wieder auf seinem Handy nach, ob er vielleicht das Surren
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