Balthazar: Roman (German Edition)
dämmerte es Skye mit einem Mal. Es konnte niemand anderes gewesen sein. »Du hast Zaslow erzählt, dass ich … mich mit Mr More getroffen hätte.«
Madison drehte sich zu ihr, und auf ihrem Gesicht lag ein gespielt mitleidiger Ausdruck. »Ich wollte nur dein Bestes. Er darf dich nicht ausnutzen. Das ist falsch. Khadijah und ich haben schon vor einer Weile darüber gesprochen, dass er dir wahrscheinlich eine Gehirnwäsche oder so etwas verpasst hat.«
»Du warst also nur um mein Wohlergehen besorgt.« Skyes Stimme zitterte wieder, aber dieses Mal vor Zorn, nicht vor Entsetzen. Zorn fühlte sich sehr viel besser an, und sie bekämpfte ihn nicht. »Und deshalb hast du beschlossen, deine kleine Geschichte in der ganzen Schule zu verbreiten. Weil du mir was Gutes tun wolltest.«
»Es ist besser, wenn alles ans Licht kommt.« Madison zuckte kühler als je zuvor mit den Schultern und wandte sich wieder ihrem Make-up zu. »Geheimniskrämerei erweckt den Eindruck, dass du dich schämen müsstest, dabei ist er es doch, der einen Fehler gemacht hat.«
Weiter hinten im Waschraum wurde eine Toilettenspülung betätigt und verriet Skye, dass sie nicht mit Madison alleine war. Und falls nicht bereits jeder an dieser Schule über alles Bescheid wusste – dank Madison –, dann würde sich das jetzt rasch ändern. Ihre letzten zwei, drei Tage an der Darby Glen High würden auch ihre absolut schlimmsten werden.
Skye kniff die Augen zusammen und sagte: »Du warst eifersüchtig.«
Madison funkelte sie an. »Du hast ja keine Ahnung.«
»Ich weiß, dass du die ganze Zeit über mit Mr More gesprochen und versucht hast, ihn auf dich aufmerksam zu machen. Und du hast ständig irgendwelche Sachen zu seinem Haus gebracht. Du bist sauer, weil du dachtest, er würde mich lieber als dich mögen. Wie armselig bist du eigentlich?«
»Na, das musst gerade du sagen«, erwiderte Madison. »Ich habe dich heute Morgen dabei beobachtet, wie du dich aus seinem Haus geschlichen hast. Du solltest dich schämen.«
»Gar nichts hast du gesehen!« Das war eine Lüge, aber das war Skye egal. Es fühlte sich gut an zu schreien. »Du weißt überhaupt nichts! Du bist nur eine eifersüchtige, bemitleidenswerte Versagerin.«
Madison verschränkte die Arme. »Und du bist nur eine Schlampe, die mit dem Vertretungslehrer ins Bett geht.«
»Beachte sie doch einfach gar nicht, Skye!« Britnee Fong trat zwischen sie, um sich die Hände zu waschen, und lächelte Skye an, als sie sich übers Becken beugte. »Madison dreht einfach nur durch. Vermutlich, weil du die letzte Person der Schule warst, die sie nicht für eine blöde Kuh gehalten hat. Und nun hast du sie durchschaut. Und außerdem, Madison, Schlampe ist ein diskriminierender, frauenfeindlicher Ausdruck. Vielleicht solltest du so etwas lieber nicht in den Mund nehmen.«
»Ich muss mir weder von der Schulschlampe, noch von einem Fettwanst etwas sagen lassen.« Madison warf ihr Rougetöpfchen in ihre Tasche und stapfte aus dem Waschraum.
Skye und Britnee starrten einander eine ganze Weile an. Zuerst war nur das Geräusch des Wassers zu hören, das noch immer unbeachtet aus dem Hahn lief. Dann begann Britnee: »Brauchst du vielleicht eine Mitfahrgelegenheit nach Hause?«
»Nein, es geht schon«, sagte Skye. »Ich kann den Bus nehmen. Aber … Vielen Dank.«
Britnee zuckte mit den Schultern und wusste offenbar nicht, was sie noch sagen sollte. Also drehte sie sich zurück zum Becken und wusch sich die Hände. Skye ging hinaus, ohne sich das Gesicht abzuwischen.
Das war die längste Heimfahrt mit dem Bus, an die sie sich erinnern konnte. Skye lehnte die Stirn gegen das Fenster, starrte auf den königsblauen Plastiksitz vor sich und fragte sich, welcher Teil dieses Schultages eigentlich am schlimmsten gewesen war.
Herauszufinden, dass Madison gar nicht ihre Freundin war? Schlimm.
Herauszufinden, dass Britnee eigentlich ganz annehmbar war? Schlimm und gut gleichzeitig. Auf jeden Fall aber beschämend, wenn sie daran dachte, wie oft sie über Madisons gemeine Witze auf Britnees Kosten gelacht hatte.
Von Direktorin Zaslow über das eigene Sexleben ausgequetscht zu werden? Superschlimm.
Einen Anruf von Redgrave zu bekommen, in dem er ihr sagte, dass ihre Zeit abgelaufen sei? Ja, das war die Krönung.
Skye rannte, so schnell sie konnte, von der Bushaltestelle zu ihrem Elternhaus, und ihre Hände zitterten, als sie sich bemühte, den Schlüssel ins Schloss zu stecken. Doch nur Sekunden später konnte
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