Balthazar: Roman (German Edition)
»Entschuldige mal kurz«, sagte Balthazar. Als er die Nachricht las – gut, das war eine Erleichterung –, hörte er, wie Skye scharf die Luft einsog. »Was ist denn los?«
»Die Schule hat eine E-Mail geschickt. Mr Lovejoy ist am Leben, aber er wird wochenlang im Streckverband liegen müssen. Er hat sich heute wirklich schlimme Verletzungen zugezogen.« Skyes Finger verkrampften sich um ihr Telefon. »Ich begreife erst nach und nach, wie gefährlich das alles ist. Glaubst du, Redgrave versucht noch einmal, mich in die Finger zu bekommen?«
»Ich weiß, dass er das vorhat.«
»Also dann bleibt mir nichts anderes übrig, als morgen herumzulaufen … und zu wissen, dass er es auf mich abgesehen hat?«
»Nicht erst morgen.« Balthazar starrte aus dem Fenster. »Sie werden schon heute Nacht kommen.«
6
»OMG , Balthazar ist gerade in deinem Schlafzimmer?«
Skye hielt ihr Handy so in ihrer Hand, dass Balthazar auf keinen Fall Clementines Nachricht lesen konnte.
» Ist eine Art Notfall. Erzähl ich dir später. Okay?«
Sie hatte es nicht über sich gebracht, Clem vom zweiten Angriff der Vampire zu berichten und auch nicht davon, dass sie offenbar ins Visier eines Vampirclans geraten war, der sogar noch schlimmer als alle anderen war. Bislang ergab das meiste noch keinen Sinn für sie: Welche Vampire waren böse? Welche nicht? Woher kannte Balthazar sie? Würden sie wirklich in dieser Nacht noch einmal Jagd auf sie machen?
Das alles war ziemlich verstörend und beängstigend, weshalb sie ihrer besten Freundin nur das erzählt hatte, bei dem sie sich ganz sicher war: nämlich, dass der Junge, in den sie seit zwei Jahren verschossen war, sich entschlossen hatte, die Nacht in ihrem Zimmer zu verbringen.
Unter anderen Umständen wären das absolut fantastische Neuigkeiten gewesen.
»Vorausgesetzt es stimmt, dass sie Darby Glen heute Nacht nicht verlassen, dann werden sie dich von nun an auf Schritt und Tritt verfolgen.« Unverwandt starrte Balthazar höchst wachsam aus dem Fenster. »Wir müssen uns irgendetwas einfallen lassen, wie wir dich sicher in die Schule und wieder zurückbringen. Die Straße entlang darfst du jedenfalls nicht mehr gehen.«
Verlegen sagte Skye: »Ich hatte gedacht, da wäre ich sicher.«
»Ist mir schon klar. Ich wollte es auch nicht so klingen lassen, als ob …«
»… als ob du denkst, dass das vollkommen bescheuert wäre.« Skye verschränkte die Arme vor der Brust, um ihrer Bemerkung Nachdruck zu verleihen, und dann fiel ihr plötzlich auf, dass dieses T-Shirt ein bisschen strammer saß, als sie es in Erinnerung gehabt hatte. So ganz ohne BH – ja, sie fühlte sich deutlich wohler, wenn sie die Arme vor ihrem Körper verschränkte. Eindeutig. »Denn das war es.«
»Du hast nicht gewusst, dass sie speziell hinter dir her sind.« Wenn Balthazar jemanden beruhigen wollte, dann wurde seine Stimme so warm, beinahe weich. Zusammen mit seinem hochgewachsenen, breitschultrigen Körper war das eine verflucht verführerische Mischung.
»Ich wusste ja, dass in der Stadt Vampire frei herumlaufen, was gar keine gute Nachricht ist … Und das ist nicht persönlich gemeint.«
»Schon in Ordnung.«
»Und trotzdem bin ich Hals über Kopf aus der Schule gestürzt, nur weil ich ein bisschen alleine sein wollte, und habe nicht vorher nachgedacht. Offensichtlich kann ich mir so einen Fehler nicht noch einmal erlauben, bis … bis wir diese ganze Sache in den Griff bekommen haben.«
Aber was genau hieß das? Wie sollten sie die Vampire dazu bringen, sie in Ruhe zu lassen? Mussten sie sie dafür allesamt umbringen? Sie erinnerte sich an die Vampire, die sie tot auf dem Gelände der Evernight-Akademie hatte herumliegen sehen, jeden mit einem Pflock in der Brust, und sie fragte sich, ob es das war, was Balthazar und sie zu tun hatten. Skye hatte sich noch nie mit der Frage auseinandergesetzt, ob sie irgendjemanden oder irgendetwas töten könnte – außer Eb, als er sich in dem Horrorszenario, das sie sich ausgemalt hatte, das Bein gebrochen hatte.
Vielleicht würde sie aber auch niemanden angreifen müssen. Vielleicht würde Balthazar sie beschützen. Immerhin war er heute genau in dem Augenblick aufgetaucht, als sie dachte, sie müsse sterben, hatte mit dem Angreifer kurzen Prozess gemacht und dann eine Wand eingetreten, nur um sie in Sicherheit zu bringen. Sie glaubte fest daran, dass es nichts gab, wofür er nicht irgendeine Lösung finden würde.
Ihr Handy klingelte noch einmal kurz, um ihr
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