Balthazar: Roman (German Edition)
aufhören konnte, Balthazar zu betrachten und sein schönes Profil anzusehen, das sich vor der dunklen, frostüberzogenen Fensterscheibe abzeichnete …
Augenblick mal . Das Eis auf dem Glas breitete sich aus. Überzog die gesamte Scheibe. Auch auf der Innenseite des Fensters, sodass alles weiß wurde und den Blick nach draußen versperrte.
Die Luft war plötzlich so frostig, dass Skyes Haut kribbelte, und sie schlang ihre Arme noch fester um ihren Körper, weil die Kälte beinahe schmerzhaft wurde. Die Lampe im Zimmer flackerte, als der Strom ausfiel, aber das Licht verschwand trotzdem nicht. Stattdessen nahm es eine gespenstische, blaugrüne Farbe an, die zu schimmern schien, beinahe als würden sie sich mit einem Mal unter Wasser befinden.
Skye erinnerte sich an eines von Dakotas letzten Fotos aus Australien, das eine Szene in einer Höhle unter dem Meeresspiegel zeigte, und sie fragte sich, ob das mit zum Letzten gehört hatte, was er gesehen hatte, ehe er starb. Entsetzen und Traurigkeit überwältigten sie gleichzeitig und ließen sie erstarren.
Jedenfalls so lange, bis sich plötzlich die Zimmerdecke zu verändern begann.
»O mein Gott.« Skye wich zurück in Balthazars Richtung; sie verstand nicht, was geschah, wusste aber, dass sie ganz nahe bei ihm sein wollte.
»Was passiert hier?«
»Wir können uns jetzt viel sicherer fühlen.«
Erstaunt sah Skye zu ihm empor. Balthazar strahlte über das ganze Gesicht, als ob er gerade das wundervollste Geschenk der Welt bekommen hätte.
Das wellenförmige Muster an der Decke vertiefte sich und nahm Gestalt an. Zuerst war nur ein herumwirbelnder, glitzernder Umriss zu erkennen, der aussah wie ein Wirbelsturm aus Schneeflocken, doch dann zeichnete sich der Körper einer jungen Frau mit langen, roten Haaren und großen, freundlichen Augen ab. Aber es war nicht einfach irgendeine Frau. Balthazar sprach ihren Namen als Erster aus: »Bianca.«
»Mir gefällt dein Zimmer«, sagte Bianca. »Es erinnert mich ein bisschen an mein eigenes, das ich in meiner Heimatstadt hatte.«
Skye war sich noch immer nicht ganz sicher, ob sie auch nur ein einziges Wort herausbringen würde, und so nickte sie einfach nur stumm. Bianca schien Verständnis für Skyes Schüchternheit zu haben; auf jeden Fall drängte sie sie nicht, etwas zu sagen, sondern wandte sich stattdessen Balthazar zu, der sie unablässig angrinste. Er sagte: »Ich bin so froh, dass du es hierhergeschafft hast. Es gab nämlich leider keinen Plan B.«
»Ach, dir fällt doch eigentlich immer irgendetwas ein«, erwiderte sie und setzte sich mit angezogenen Beinen neben Balthazar in die Fensternische. Bianca schien sich in ihrem Schlafanzug wohler zu fühlen als Skye in ihrem, und sie schien auch unverkrampfter mit Balthazar umgehen zu können.
Skye erinnerte sich vage an den Klatsch und Tratsch in der Evernight-Akademie, auf den sie damals nicht viel gegeben hatte. Skye hatte gewusst, dass Balthazar während ihres zweiten Jahres in Evernight mit jemandem ausgegangen war. Damals war sie noch in Craig verliebt gewesen, sodass Balthazar für sie nur der heiße Typ war, dessen Anblick ihr einen aufregenden Stich versetzte, wenn sie auf dem Flur an ihm vorbeilief. Es hatte keine Rolle gespielt, mit welchem Mädchen er zusammen war. Aber jetzt, als Skye ihn und Bianca nebeneinander sitzen sah, war sie sich plötzlich ganz sicher, dass die beiden ein Paar gewesen waren. Und Bianca war die Freundin von Lucas, dem besten Kumpel, den Skye je gehabt hatte. Außerdem war Bianca der Geist, den Skye in Evernight gerettet hatte.
Wie war es möglich, dass dieser Tag noch seltsamer wurde?
Skye stellte die erste Frage, die ihr in den Sinn kam: »Wo ist Lucas?«
Obwohl Bianca auch vorher schon gelächelt hatte, wurde ihr Gesicht nun noch strahlender und weicher. Jeder Zweifel, den Skye wegen Biancas Loyalität gegenüber Lucas gehabt hatte, verpuffte auf der Stelle. »Er ist mit ein paar Freunden in Maine. Wir haben es eine Zeit lang ruhig angehen lassen und es einfach genossen, beieinander zu sein. Diese letzten Monate waren wirklich anstrengend.« Ein Schatten legte sich über Biancas unirdisch durchscheinende Gestalt, aber nur für einen Augenblick. »Lucas sagt, dass ihm die Kälte und der Schnee oder sonst etwas nichts ausmachen würden. Er ist froh, am Leben zu sein. Und ich bin froh, dass ich an seiner Seite sein kann.«
»Das ist gut«, sagte Skye. Lucas war im letzten Jahr so zornig und verletzt gewesen; es war eine
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