Balthazar: Roman (German Edition)
Scheins nahm Bianca Gestalt an; sie schälte sich aus etwas heraus, das einer zitternden Kerzenflamme glich. Ihr rotes Haar wirbelte um sie herum.
Als Redgrave den Kopf hob und sie sah, bemerkte Balthazar dessen uralte Angst, die ihn nie verlassen hatte. Er und sein gesamter Clan fürchteten sich noch immer entsetzlich vor etwas, was die Vampire wie das Feuer scheuten.
Ein Vampir hinter Redgrave flüsterte: »Ein Geist.«
Bianca schoss auf sie zu. Irgendwie hatte sie sich selber in eine Klinge verwandelt, die waagerecht durch Redgrave, die Wand, die Tür und alle Vampire schnitt. Balthazar hatte sie schon in früheren Kämpfen gesehen und wusste, dass sie damit keinen der Angreifer töten würde, aber offenbar fügte sie ihnen höllische Schmerzen zu. Redgrave krümmte sich und zischte etwas in seiner alten Muttersprache, die zu erlernen sich Balthazar immer geweigert hatte. Dann floh der gesamte Clan.
Einen Moment lang war das einzige Geräusch, das zu hören war, das Knallen der Tür im Schloss, als die ganze Bande auf dem gleichen Weg verschwand, auf dem sie eingedrungen war.
Bianca lachte: »Wow, manche Vampire lassen sich aber leicht verjagen.«
»Willst du mir sagen, Vampire haben eine solche Angst vor Geistern, dass sie einen großen Bogen um dieses Haus machen werden, nur weil sie Bianca gesehen haben?« Skye hatte bereits das meiste Eis aus ihrem Zimmer entfernt, aber sie musste schreien, um das Rauschen ihres Föns zu übertönen, mit dem sie gerade versuchte, die Tagesdecke auf ihrem Bett wieder vom Eis zu befreien.
»Es ist ein alter Aberglaube, der tief in uns verwurzelt ist.« Balthazar selbst war ebenfalls nicht besonders scharf darauf, in der Nähe von Geistern zu sein, die nicht Bianca hießen, und selbst an sie hatte er sich erst gewöhnen müssen. »Bei Redgrave sitzt er sogar noch tiefer als bei den meisten anderen. Seine Furcht vor Geistern war schon immer ganz besonders groß. Ich habe früher mal gesehen, wie er beim Anblick eines Geistes in Panik geraten ist. Vertrau mir, er wird nicht zurückkommen, solange er befürchten muss, hier noch einmal auf Bianca zu stoßen. Zumindest kannst du dich von jetzt an in diesem Haus aufhalten und hier schlafen, ohne dass du dir in jeder Sekunde Sorgen machen musst, dass du angegriffen wirst.«
Bianca kehrte ins Zimmer zurück. Skye schrak nur ein kleines bisschen zusammen; sie machte Fortschritte. »Ich habe überall nachgesehen«, sagte Bianca. »Wo steckt denn eigentlich dein Geist?«
Skye sah sie verblüfft an. »Woher weißt du, dass ich mit einem zusammengewohnt habe?«
»Das ist der einzige Grund, warum Menschen zur Evernight-Akademie zugelassen wurden«, erklärte Balthazar. »Sie mussten eine Verbindung zu Geistern haben, zu Gespenstern, Spukhäusern und dergleichen.«
»Also so, wie es mit dem Spuk in Clementines Auto war«, sagte Skye nachdenklich. »Das Haus, in dem ich aufgewachsen bin, mitten im Stadtzentrum, wurde ebenfalls heimgesucht. Da wohnte ein kleines Geistermädchen, das sich manchmal neben mich vor den Kamin setzte. Es hat niemals etwas gesagt; anscheinend hat es einfach nur Nähe gesucht. Ich mochte es. Ich habe es immer als eine Spielkameradin angesehen, die nur in meiner Fantasie existierte, bloß dass ich sie mir eben nicht einbildete.« Skyes Stimme klang liebevoll und warmherzig, und ihre Fähigkeit, mit übernatürlichen Dingen umzugehen, überraschte Balthazar immer wieder aufs Neue. »Aber dann sind wir vor zwei Jahren umgezogen. In diesen Neubau. Hier gibt es keinen Spuk, soweit ich das beurteilen kann.«
Bianca runzelte die Stirn. »Das ist nicht gut. Ich hatte gehofft, ich könnte mit deinem Geist sprechen und dafür sorgen, dass du rund um die Uhr in Sicherheit bist. Ich kann nicht die ganze Zeit hierbleiben.«
»Es wird auch so gehen«, sagte Balthazar beruhigend. »Nur wenige Vampire wissen, wie man Geistern eine Falle stellt oder sie verjagt. Hierher wird Redgrave nicht zurückkehren. Aber wir müssen uns Gedanken über den Rest der Stadt machen.«
»Also, du weißt wirklich, wie man ein Mädchen aufheitert«, sagte Skye, und Balthazar warf ihr einen entschuldigenden Blick zu.
Auf Biancas Gesicht lag ein sehr seltsames Lächeln, als sie sagte: »Du weißt ja, wie du Kontakt zu uns aufnehmen kannst, wenn du uns brauchst. Skye, vielen Dank für alles. Du bist in guten Händen. Balthazar – es ist schön, dich so zu sehen.«
Mich wie zu sehen? , fragte sich Balthazar, aber er genoss es, sich in ihrem
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