Balthazar: Roman (German Edition)
gefahren ist.«
»Wenn das stimmen würde, dann hätte man ihn doch sofort gefeuert. Vielleicht war der Fahrer des anderen Autos, mit dem er zusammengekracht ist, betrunken, und das war es, was du gehört hast.«
»Du bist ja so auffällig still heute, Skye.« Ein Mädchen mit eng zusammenstehenden Augen wie ein Iltis starrte sie an. »Was denn, fühlst du dich vielleicht schuldig? Warst du es am Ende, die ihn über den Haufen gefahren hat? Die Reichen denken immer, sie können sich alles erlauben.«
Einige lachten. Skyes Gesicht glühte; die Sticheleien kamen der Wahrheit einfach zu nahe. Irgendwie, wenn auch indirekt, war sie tatsächlich für alles verantwortlich, was Mr Lovejoy zugestoßen war.
Und das Gerede erinnerte sie einmal mehr daran, dass die Schule nicht nur unerträglich, sondern auch nicht mehr sicher für sie war. Wenn Redgrave oder irgendeiner der anderen Vampire hier eindringen würde, wer sollte sie dann aufhalten? Vielleicht die ältliche Schulsekretärin neben der Eingangstür, die jeden Besucher liebenswürdig nach seinem Personalausweis fragte? Wohl kaum.
Vielleicht war es albern zu glauben, dass die Vampire in die Darby Glen High School hineinplatzen würden, aber Skye wusste nun mal nicht, wie weit sie gehen und was sie riskieren oder wohl doch lieber nicht wagen würden. Ziemlich sicher würden sie sie nicht in aller Öffentlichkeit entführen. Aber wer wusste das schon?
Sie war an diesem Morgen früh genug aufgestanden, um zum Bus zu laufen, während ihre Eltern sich auf den Weg zu ihren Autos machten. Das bedeutete zwar auch nicht gerade viel Schutz, aber immerhin ein wenig. Hier in der Schule fühlte sie sich allen völlig ausgeliefert – auch Britnee Fong.
»Sollten wir nicht vielleicht leiser sein?« Britnee hockte auf der Kante von Craigs Tisch; er hatte zwei Finger in eine Gürtelschlaufe ihres Jeansrockes geschoben, sodass seine Hand auf ihrer Taille lag. »Sonst kommt noch jemand herein und sagt uns, wir sollen ruhiger sein? Und dann bekommen wir eine Vertretung, oder?«
Madison warf Skye einen Blick zu, in dem zu lesen war Du meine Güte, ist dieses Mädchen blöd . Dann sagte sie: »Glaubst du vielleicht ernsthaft, wir könnten verhindern, dass wir einen Ersatzlehrer bekommen? Lautet dein toller Plan vielleicht, dass wir das ganze Schuljahr hier still herumhocken und darauf hoffen, dass niemand das Fehlen von Mr Lovejoy bemerkt?«
»Es ist merkwürdig, dass sie nicht schon längst jemanden hergeschickt haben«, sagte Craig schnell und versuchte offenbar, seine beschränkte Freundin zu unterstützen. »Die anderen Lehrer sind bestimmt schon ziemlich genervt von uns.«
Wahrscheinlich hatte er recht, dachte Skye. Da sie ohne Aufsicht waren, hatte sich das leise Stimmengewirr im Klassenraum inzwischen in ein ziemliches Chaos verwandelt. Bislang gab es zwar noch keine obszönen Zeichnungen an der Tafel, aber vermutlich würde sich das innerhalb der nächsten fünf Minuten ändern. Skye fragte sich seufzend, ob es nicht genug war, dass sie jeden einzelnen Schultag um ihr Leben fürchten musste. Mussten da auch noch alle anderen so anstrengend sein? Sie ließ ihren Kopf auf ihren Tisch sinken.
Madison sagte: »Pass auf, Britnee. Du willst doch wohl nicht, dass Craigs Tisch unter deinem Gewicht zusammenkracht, oder?«
Skye hob wieder den Kopf, denn sie war erschrocken über den beißenden Spott in Madisons Stimme. Es war zwar nett gemeint von Madison, sich auf ihre Seite zu schlagen, aber diese Bemerkung war wirklich boshaft gewesen.
Britnee kaute auf ihrer Unterlippe, während sie von Craigs Tisch rutschte. Craig starrte Madison durchdringend an – und darin war er wirklich gut. Er konnte einen mustern, als ob er einem bis auf den Grund der Seele schaute. Madison jedoch schien nichts zu bemerken, oder es war ihr egal. Dann sah Craig zu Skye, und sie wusste genau, was er dachte: Mit so jemandem möchtest du befreundet sein?
Dabei brauchte er gar nicht so abfällig zu gucken. Madisons Scherz war nur dazu gedacht gewesen, Skye ein bisschen aufzumuntern, und bei diesem Versuch war sie wohl übers Ziel hinausgeschossen. Außerdem hatte Craig überhaupt kein Recht, über irgendjemanden zu urteilen. Schließlich war er derjenige gewesen, der mit ihr Schluss gemacht hatte, während sie noch immer um Dakota trauerte, und dann auch noch unmittelbar, nachdem sie zum ersten Mal miteinander geschlafen hatten.
Skye wandte sich demonstrativ an Madison und fragte: »Hat denn, seitdem
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