Balthazar: Roman (German Edition)
während sie langsam und gleichmäßig ein- und ausatmete, um sich selbst zu beruhigen.
»Wir stehen das gemeinsam durch.« Er klang, als ob sie beide im Schlamassel steckten, und nicht, als ob Skye die Gejagte und Balthazar ihr Beschützer wäre. »Ich werde nicht zulassen, dass sie dir etwas antun. Niemals.«
Skye konnte nichts erwidern. Sie löste sich aus Balthazars Umarmung und sah zu ihm hoch. Seine markanten Züge waren jetzt ganz nah vor ihrem Gesicht. Das Mondlicht, das vom Schnee reflektiert wurde, tauchte seine Haut in Silber. Ohne zu zögern und ohne nachzudenken, hob Skye ihren Kopf und küsste ihn.
Es war eine ganz sanfte Berührung, und sie dauerte nur einen kurzen Moment. Dann wurde Skye klar, was sie gerade getan hatte, und sie hätte einen Schritt zurückgemacht und sich entschuldigt, wenn nicht Balthazar ihren Kuss erwidert hätte.
Dieses Mal schlang sie ihre Arme um seinen Hals, schloss die Augen und vergaß die Welt rings um sie herum. Er presste seinen Mund fest auf ihren, und der Kuss war wild genug, um wie ein Stromstoß zu wirken. Obgleich er nur einige Sekunden dauerte, fühlte es sich an, als ob sie aller Furcht und Gefahr für immer und ewig entronnen wäre.
Als sie sich jedoch wieder voneinander lösten, nahm Balthazar den Arm von ihrer Schulter und schüttelte den Kopf: »Das hätte ich nicht tun sollen. Es tut mir leid.«
»Warum denn das?« Skye warf ihm einen Blick zu. »Weil du mich nicht auf diese Art und Weise magst?«
»Wie bitte? Nein. Das ist es nicht.« Mit einer Hand fuhr er ihr durchs Haar; eine kurze, schlichte, liebevolle Geste. »Es ist nur … Ich habe vor Jahrhunderten eine Regel aufgestellt, Skye. Ich lasse mich nicht mit Menschen ein. Es ist gefährlich für sie, und zwar vermutlich mehr, als du es dir vorstellen kannst.«
»Aber ich schwebe doch sowieso in Gefahr«, erinnerte sie ihn, rückte aber dennoch ein Stück von ihm weg. Vom Verstand her war ihr klar, dass sie sich zurückgewiesen fühlen sollte, aber das tat sie nicht. Balthazar konnte den Blick nicht von ihrem Gesicht lösen: Sein Körper war noch immer so angespannt wie während ihres kurzen Kusses. Und dieser Kuss …
Nein, Balthazar hatte sie nicht zurückgewiesen. Er begehrte sie. Er wollte seiner Sehnsucht nur nicht nachgeben.
Skye sagte: »Ich denke, du solltest jetzt gehen.«
»Ja.« Balthazar hatte allerdings eher damit gerechnet, dass sie ihn bitten würde zu bleiben, oder dass sie versuchen würde, ihn noch einmal zu küssen. Hatte er darauf gehofft? Hatte er sich gewünscht, dass sie ihm einen Grund liefern würde, sich doch hinreißen zu lassen? »Ich werde draußen noch eine Weile Wache halten und aufpassen, dass du in Sicherheit bist. Damit du schlafen kannst.«
Sie lächelte ihn gequält an. »Danke.«
Balthazar zögerte und wollte offenbar noch etwas sagen. Einen Moment lang schauten sie sich tief in die Augen und sehnten sich beide danach, diesen Kontakt aufrechtzuerhalten. Doch dann war Balthazar verschwunden – nicht wie ein Mensch, sondern mit der Geschwindigkeit eines Vampirs, als hätte er sich in einen Schatten aufgelöst, anstatt aus dem Zimmer zu gehen. Skye sog scharf die Luft ein, was sowohl am Schrecken als auch am Schmerz lag, den ihre plötzliche Trennung für sie bedeutete.
Ihr ganzer Körper war bleischwer vor Erschöpfung, und ihr Kopf schwirrte vor Sehnsucht und Verlangen, als sie sich ihr Nachtzeug anzog. Kurz bevor sie die letzte Lampe ausmachte, stand sie noch einen Augenblick lang am Fenster und wusste, dass der Lichtschein ihren Körper einrahmte, sodass ihn jeder, der von unten hinaufschaute, gut erkennen konnte.
Sie wusste, dass Redgrave sie heute Nacht nicht beobachten würde. Heute passte Balthazar auf sie auf.
»Gute Nacht«, flüsterte sie, ehe sie das Licht löschte.
13
Balthazar lief in seinem anspruchslosen Kutschhaus auf und ab. Das Bettzeug war zerwühlt von seinem kurzen, erfolglosen Versuch, ein bisschen Schlaf zu finden. Der Schein der frühen Morgensonne, die durch die Vorhänge hindurchschien, ließ auch seine Fehler in einem deutlicheren Licht dastehen, was alles nur noch schlimmer machte.
Keine Menschen. Die Regel ist doch eigentlich ganz einfach. Wie kannst du sie denn dann vergessen?
Die Antwort in seinen Gedanken dämmerte nicht in Form von Worten herauf; stattdessen sah er Skyes Gesicht in der letzten Nacht vor sich. So erschöpft und blass, und doch war sie so tapfer gewesen, dass Balthazars Widerstand gebröckelt war. Er
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