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Balthazar: Roman (German Edition)

Balthazar: Roman (German Edition)

Titel: Balthazar: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Gray
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anderen, die neu in dieses Gebiet kamen, und die Ureinwohner Amerikas, die bereits dort lebten, mussten Gott auf die gleiche Weise anbeten. Selbst andere Christen waren nicht willkommen. Vor allem römische Katholiken nicht.«
    Einige der Schüler hatten zu lächeln begonnen, und es war ein freundliches Lächeln, als ob sie tatsächlich anfingen, sich für die Sache zu interessieren, ob sie es wollten oder nicht. Balthazar entschied sich, einfach so weiterzumachen. Er klappte das idiotische Buch zu und ging zur Tafel. Wenn diese Klasse sich am besten in den Griff bekommen ließe, indem er einfach sein Wissen mitteilte – nun gut.
    »Die Puritaner nannten sich selbst die Gottesfürchtigen«, sagte er und schrieb den Begriff an die Tafel. Rings um ihn herum begannen die Leute, sich Notizen zu machen. Skye jedoch schlug als Letzte die Augen nieder. Kurz vorher fing sie einen Moment lang Balthazars Blick auf. Balthazar spürte, wie gut ihm die Gewissheit tat, dass wenigstens eine Person im Raum die Wahrheit kannte, nämlich dass er gerade seine eigene Geschichte erzählte.
    Bis zur Freiarbeitsstunde am Ende des Tages hatte Balthazar seinen Frieden damit gemacht, dass er nun Lehrer war. Mit dieser Ruhe war es jedoch rasch wieder vorbei, als Skye die Bibliothek betrat. Wie war es möglich, dass ihr Rock seit der ersten Stunde scheinbar noch kürzer geworden war? Eine andere Erklärung hatte er nicht, und auf keinen Fall konnte sie die letzten Stunden so herumgelaufen sein, ohne dass eine Lehrkraft sie darauf angesprochen oder sie sogar in Gewahrsam genommen hätte.
    Balthazar war klar, dass da seine altmodische Seite zum Vorschein kam: Skyes Rock war kurz, aber keineswegs unanständig. Unzüchtig war nicht die geringe Saumlänge, sondern es waren die Gedanken, die der kurze Rock bei ihm hervorrief.
    Skye schrieb ihm zuerst: »Ich werde heute nach der Schule direkt nach Hause gehen. Madison hat mich zu sich eingeladen, aber ich habe ihr gesagt, ich würde mich immer noch komisch fühlen. Du hast mir gar nicht erzählt, dass du da jetzt wohnst.«
    »Hatte noch keine Gelegenheit dazu. Hör mal, ist alles in Ordnung mit dir?«
    »Ja. Meine Vision in Miss Loos’ Unterricht war heftig, aber da ich gestern schon beim Spiel umgekippt bin, war sie zur Abwechslung mal ganz nett. Schätze, alle glauben, dass ich Epileptikerin bin oder so was Ähnliches. Ende der Woche kann ich wohl den Kurs wechseln.«
    Balthazar hob eine Augenbraue, als er aus ihrer Nachricht schloss, dass Tonia Skye bisher das Leben schwer gemacht hatte, aber das war im Augenblick wohl kaum das wichtigste Thema zwischen ihnen. »Ich wollte nur sagen: Es tut mir leid. Das mit gestern Abend.«
    »Was denn?«
    »Dass ich weiter gegangen bin, als ich es hätte tun sollen.«
    »Ich hatte gehofft, dir tut leid, dass du so früh verschwunden bist.«
    Kurz blitzte die verlockende Vorstellung auf, wie es gewesen wäre, länger in Skyes Schlafzimmer zu bleiben, aber Balthazar verdrängte diesen Gedanken. »Ich finde, du bist echt erstaunlich. Das weißt du sicher. Aber ich habe es so gemeint, wie ich es gesagt habe. Mich mit Menschen einzulassen – das ist eine Grenze, die ich nicht überschreiten will.«
    »Es gibt für alles ein erstes Mal.«
    Er sah von seinem Handy auf, genau in dem Moment, in dem auch sie den Blick hob, und sie schauten sich quer durch die Bücherei hinweg in die Augen.
    Skye schlug die Beine übereinander, sodass Balthazar sich ein weiteres Mal davon überzeugen konnte, wie lang, schlank und wohlgeformt sie waren.
    Es war eine kühne Bewegung gewesen, aber Skyes Augen verrieten die wahre Geschichte. In ihnen konnte Balthazar Skyes Unsicherheit sehen, ihre Verletzlichkeit. Was auch immer es war – diese Mischung aus aufreizendem Verhalten und Zartheit rührte ihn tief in seinem Innern.
    Balthazars Antwort an Skye klang, als wolle er sich selber überzeugen: »Wir können nicht mehr als Freunde sein.«
    »Das habe ich verstanden« , textete Skye zurück, was überraschend vernünftig klang, bis die nächste SMS einging. »Aber niemand sagt, dass ich es dir leicht machen muss.«
    Balthazar hätte frustriert sein sollen. Besorgt. Irgendetwas in dieser Richtung. Stattdessen konnte er sich nur mit Mühe ein Lächeln verkneifen.
    Madison begleitete Skye bis zu ihrem Elternhaus, und Balthazar folgte den beiden in einiger Entfernung. Es war leichter, Skye zu beobachten, wenn sie eine lange, gefütterte Jacke trug, die ihre Beine verhüllte. Aber während

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