Balthazar: Roman (German Edition)
läuft an seinen Armen hinab, Balthazar keucht hilflos, während er auf die Knoten schaut, die ihn an den Balken über seinem Kopf fesseln, während Redgrave ihm ins Ohr flüstert: »Bist du jetzt bereit, auf mein Angebot einzugehen?«
Nein, dachte Balthazar, aber die Welt um ihn herum begann bereits zu verblassen …
12
»Hey!« Skye rüttelte Balthazar an den Schultern, während sich ihre Verfassung von leichter Besorgnis in völlige Panik verwandelte. Balthazars Augen waren nahezu geschlossen, sein Gesicht zeigte keine Regung, und er schwankte auf den Beinen wie ein Mann in Trance. »Hey, komm zurück. Komm zurück. Balthazar !«
Sie schlug ihm heftig mit dem Handrücken ins Gesicht, und sofort schlossen sich seine Finger um ihr Handgelenk. Er riss seine Augen weit auf, aber er brauchte noch einen Moment, ehe er sprechen konnte. »Skye.«
»Ja, ich bin es. Wo warst du denn nur?«
Balthazar taumelte ein Stück zurück, und er war so wackelig auf den Beinen, dass Skye sich fragte, ob ihm nur schwindelig war oder ob er sich krank fühlte. War ihr Blut vielleicht eine Art Gift? Skye legte Balthazar beide Hände auf die Schultern, und bei dieser Berührung schien er endgültig zu sich zu kommen. Stockend sagte er: »Es war, als ob … als ob ich meine eigene Vergangenheit noch einmal erlebe.«
»Es waren nichts als Erinnerungen?« Skye runzelte die Stirn. Sie war sich zwar nicht sicher, was sie erwartet hatte, aber das jedenfalls nicht.
»Das waren nicht nur Erinnerungen. Es war, als wenn ich wirklich noch einmal dort gewesen wäre. Jede Empfindung, jedes Geräusch … Alles war vollkommen.« Während er sprach, lächelte er unsicher, als könnte er seinen eigenen Worten nicht recht trauen. »Und es waren nicht nur irgendwelche Erinnerungen. Skye, dein Blut bringt Vampire zurück in die Zeit, in der sie noch am Leben waren.«
Skye leuchtete das alles nicht ein. Warum sollten ihr andere Vampire nach dem Leben trachten, nur um ein Gefühl heraufzubeschwören, das einen überkommt, wenn man alte Fotos durchstöbert? »Also doch nur Erinnerungen.«
»Du verstehst das nicht.« Balthazar schüttelte ungeduldig, aber nicht unfreundlich den Kopf. Er nahm Skyes Arme von seinen Schultern und hielt ihre Hände fest. Es war nur eine Geste, dachte Skye, aber die Berührung bewirkte, dass der kalte, nüchterne Raum sich mit wohltuender Wärme füllte. »Das Leben hat seine eigene Kraft, Skye. Es hat … seine eigene Anmut, Schönheit und Dynamik, die sich mit nichts vergleichen lässt, was einen nach dem Tod erwartet. Trotz all unserer Fähigkeiten und unserer Unsterblichkeit sehnt sich jeder Vampir tief im Innern danach, noch einmal das wahre Leben spüren zu können. Einige von uns leugnen es, aber wir alle wissen es. Es gibt keinen Ersatz für das Leben.«
»Aber durch mich lässt es sich zurückholen.« Skye begann zu begreifen, und sie war wie betäubt. »Oder gibt es noch andere Möglichkeiten?«
»Abgesehen von deinem Blut habe ich noch nie von etwas gehört, das es einem Vampir ermöglicht, sich wahrhaft wieder am Leben zu fühlen, ohne dafür auf die eigenen Fähigkeiten verzichten zu müssen.«
»Was bedeutet, dass die Vampire so richtig scharf auf mein Blut sind.«
»Ja.« Balthazar stieß den Atem aus, halb begeistert, halb ernüchtert. »Skye, dein Blut ist wie eine Droge für uns. Es gibt uns den ultimativen Kick.«
»Das ist nicht gut.« Skye zog ihre Hände aus Balthazars Griff und begann, im Krankenzimmer auf und ab zu laufen. Sie war noch immer von der Aufregung des vorangegangenen Abends erschüttert und wollte nicht zulassen, dass sich die Anspannung in ihr noch vergrößerte. Sie brauchte ein Ventil. »Gibt es irgendeinen Ort, den die Vampire meiden? Einen Ort, an dem ich mich verstecken kann?«
Mit grimmiger Miene schüttelte Balthazar den Kopf. »Es gibt nicht viele von uns, aber wir sind überall verstreut. Außerdem kennt Redgrave deine wahren Kräfte, und das bedeutet, dass er dich so weit jagen wird, wie es sein muss. Selbst bis ans Ende der Welt.« Er klang, als spräche er aus eigener Erfahrung.
Skye stützte ihre Hände gegen die Wand, als ob sie sich auf diese Weise einen Fluchtweg eröffnen könnte. Erst vor wenigen Stunden hatte Redgrave neben ihr gestanden, höflich und geduldig, während sie sich an einem Gedicht versucht hatte. »Er hat gesagt … Er hat gesagt, dass er mich nicht töten wird. Er braucht mein Blut. Deshalb werden die Vampire mich nicht ermorden, ja nicht einmal
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