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Balthazar: Roman (German Edition)

Balthazar: Roman (German Edition)

Titel: Balthazar: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Gray
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verbarg, und durch die Tür brächen, dann würde er nicht umhinkommen, Gewalt anzuwenden. Nur unter Aufbietung seiner gesamten Kräfte als Vampir würde er es schaffen, so viele Angreifer abzuwehren. Die Leute, die in diesem Lagerhaus Schutz gesucht hatten, würden dann erfahren, dass Balthazar nicht menschlich war. Der Anschein eines normalen Lebens, den er sich mit so viel Mühe hier in Manhattan erworben hatte, würde mit einem Schlag zerstört werden.
    Wenn das der Preis dafür wäre, das Leben all dieser Menschen hier zu retten, dann würde Balthazar ihn bezahlen. Aber er würde diese Rechnung nicht freudig begleichen. Sein Leben hier mochte nur ein Schatten sein, aber er hoffte, es trotzdem aufrechtzuerhalten zu können.
    Richard flüsterte: »Mit gefällt der Lärm da draußen gar nicht.«
    »Mir auch nicht.« Balthazar sagte nicht, was er gesehen hatte, zusätzlich zu dem, was zu hören war. Zwei Körper hingen an einem selbst gebauten Galgen und starben langsam und qualvoll. Die Seile waren zu kurz gewesen, um den Männern das Genick zu brechen und ihnen einen schnellen, gnädigen Tod zu bescheren. Der Anblick der erstickenden Männer, deren Beine strampelnd nach Halt suchten, war nichts, was Balthazar mit irgendjemandem hätte teilen wollen. »Wenn es ruhiger wird, werde ich mal rausgehen und nachsehen, was los ist.«
    »Sicher eine prima Idee«, antwortete Richard. Ihre Blicke trafen sich, und in ihnen lag dunkelster Galgenhumor. Für die Dummköpfe dort draußen, die nur auf Hautfarben achteten, war Richard eine Zielscheibe, während sie Balthazar, dem Mörder und Monster, ihr Vertrauen schenken würden.
    Glücklicherweise war das Lagerhaus beinahe leer gewesen; nur in einer Ecke türmten sich einige wenige Fässer. So war genügend Platz gewesen für Dutzende von Leuten. Diejenigen, die sich hier vor den marodierenden Horden draußen auf den Straßen versteckten, waren alles Afroamerikaner, manche von ihnen entflohene Sklaven, die meisten jedoch freie Menschen, deren Vorfahren schon seit Generationen hier lebten. Bei einigen von ihnen handelte es sich um Familien mit kleinen Kindern; sie saßen eng zusammengedrängt, und ihr verzweifeltes Schweigen stand in scharfem Kontrast zu dem hässlichen Grölen, das von draußen hereindrang. In den letzten Tagen waren über hundert Menschen getötet worden, vermutlich sogar weitaus mehr, wie Balthazar annahm. Einige von ihnen waren Freunde, Nachbarn oder Familienangehörige von denen, die jetzt hier Zuflucht gesucht hatten. Balthazar holte tief Luft, als ihm wieder einmal die Brüchigkeit der menschlichen Gemeinschaft bewusst wurde. Gerade wenn man glaubte, Beziehungen hätten sich gefestigt, veränderte sich alles. Wenn man dachte, die eigene Welt sei sicher, wurde alles für einen Umsturz vorbereitet.
    Den Großteil des letzten Jahrhunderts hatte er mehr oder weniger allein verbracht. Einige Jahrzehnte lang war er umhergewandert, ehe ihm klar geworden war, dass das hektische Durcheinander New York Citys fabelhaft dazu geeignet war, seine eigene unirdische Natur zu verbergen. Die letzten dreißig Jahre lang hatte er in Manhattan gelebt und war von Nachbarschaft zu Nachbarschaft gezogen, damit niemandem auffallen konnte, dass er nicht alterte. Eine Handvoll Menschen hatte ihn besser kennengelernt; ihnen allen waren seine besonderen Gewohnheiten aufgefallen, und sie hatten Bemerkungen darüber gemacht – auch Richard, der immer wieder behauptet hatte, dass Balthazar wohl wie eine Blume von Luft und Sonne lebe, da niemand ihn je hatte etwas essen sehen. Aber in New York bedurfte es schon einer größeren Zahl von Eigenheiten, um als seltsam zu gelten, und so hatte man Balthazar akzeptiert. Bei einigen dieser Leute würde Balthazar sogar so weit gehen, sie als Freunde zu bezeichnen. Die ersten Freunde, die er nach seinem Tod gefunden hatte.
    Er liebte New York. Jedenfalls war das der Fall gewesen, bis die Gewalt, die schon lange unter der Oberfläche gebrodelt hatte, schließlich überkochte. Nun sah Balthazar die Hässlichkeit inmitten des Chaos, das ihm ein so gutes Versteck geboten hatte.
    Richard flüsterte: »Sie kommen.«
    »Nur ein paar von ihnen.« Balthazars geschärfte Vampirsinne verrieten ihm, dass sich lediglich sechs oder sieben Personen ihrer Tür näherten. Solange sie nicht zum Schwarzen Kreuz gehörten, würde es für ihn kein Problem sein, mit einer solchen Zahl von Menschen fertigzuwerden. Und was sollte das Schwarze Kreuz hier verloren

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