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Balthazar: Roman (German Edition)

Balthazar: Roman (German Edition)

Titel: Balthazar: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Gray
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haben?
    Als er jedoch den Kopf hob und die Luft einsog, konnte er nichts riechen. Seltsamerweise hatten die heranmarschierenden Leute keinen Geruch, als ob sie sich ohne Seife gewaschen hätten oder als ob sie …
    Balthazar riss die Augen auf.
    »Balthazar, was ist los?«, flüsterte Richard.
    »Die Menschen, die da kommen …« Das sind gar keine Menschen , wollte er sagen, konnte es aber nicht. »Die sind gefährlich.«
    »Auf die Idee wäre ich selbst nicht gekommen«, sagte Richard. Sein trockener Humor gefiel Balthazar normalerweise, heute jedoch überhaupt nicht.
    In der Ferne war ein donnerndes Geräusch zu hören, als ob ein großes Feuerwerk losgegangen oder irgendetwas explodiert wäre. Gott allein wusste, was diese Aufständischen der Stadt antaten. Aber die Randalierer waren im Augenblick nicht Balthazars größte Sorge.
    Am meisten beunruhigten ihn die Leute, die sich diesem Versteck näherten. Irgendetwas in ihm regte sich und verriet ihm: Da kommen andere Vampire .
    Balthazar rollte den Ärmel seines lockeren Hemdes aus Batiststoff hoch und griff nach der Gaslampe. Entschlossen stieg er die Treppe zum Eingang empor, legte seine Hand auf die Eisenklinke, holte tief Luft und öffnete die Tür.
    Draußen herrschte Chaos. Die Straßen waren nahezu leer, aber überall auf dem Boden verstreut lagen die vielsagenden Überreste der Zerstörungswut dieses Tages: verstreuter Schutt, zerknüllte Flugblätter, ein verlorener Schuh und jede Menge Flaschen und Habseligkeiten, die die Fliehenden einfach weggeworfen hatten. Die hereinbrechende Dunkelheit begann erste Schatten zu werfen, aber diese waren noch nicht tief genug, um die Gruppe von Leuten zu verschlucken, die am anderen Ende des Platzes stand. Balthazar war sich, schon bevor er das Lagerhaus verlassen hatte, sicher gewesen, dass er draußen auf Vampire stoßen würde.
    Aber er hatte nicht mit Redgrave gerechnet. Und erst recht nicht mit Charity.
    Dort standen sie, Seite an Seite. Hinter ihnen konnte er Constantia erkennen, so schön und todbringend wie eh und je. Sie trug ein Kleid aus tiefroter Seide, der Farbe von Blut. Ihre dunklen Augen wurden schmal, als sie Balthazar erkannte, und er konnte ihren Zorn und ihr ungewolltes Verlangen spüren, während sie sich beide musterten. Oder waren das nur seine eigenen Gefühle? Auch Lorenzo war beim Clan geblieben: Er war nach der neuesten Männermode gekleidet und trug karierte Hosen und einen Zylinder. Er hätte einfach nur lächerlich ausgesehen, wenn da nicht das irrsinnige, wilde Glänzen in seinen Augen gewesen wäre.
    Am schlimmsten war es, neben Redgrave Charity zu sehen, die noch mitgenommener wirkte als früher. Sie trug ein flieder- und elfenbeinfarbenes Kleid mit Reifrock, das der letzte Schrei und über und über mit Rüschen und Spitze besetzt war. Allerdings waren der Saum und die Ärmel zerrissen und schmutzig. Die großen, dunklen Augen von Balthazars Schwester ruhten auf ihm, aber er konnte keine Freude, keine Erleichterung in ihnen erkennen. Selbst mit Zorn hätte er etwas anfangen können. Doch da war nur stummes, betäubtes Nichterkennen.
    »Der verlorene Sohn«, höhnte Redgrave, und sein Lächeln leuchtete weiß im schummrigen Licht. Kein Fleckchen Asche oder Schmutz war auf dem glänzenden, schwarzen Stoff seines Anzugs zu entdecken. »Wie ich dich vermisst habe, mein lieber Junge.«
    »Ich habe dich keineswegs vermisst«, erwiderte Balthazar und hasste sich für den verzweifelt herausfordernden Ton seiner Stimme. Aber ihm fiel keine bessere Antwort ein. »Zieht weiter. Hier will euch niemand haben.«
    »Wir sind nirgends willkommen.« Es war Constantia, die das Wort ergriffen hatte, und ihre Stimme klang so schneidend, dass es ihm kalt – und heiß – den Rücken hinunterlief. »Deswegen entscheiden wir ja auch selbst, wohin wir gehen.«
    Redgrave legte den Kopf schräg. Sein Profil hätte aus Elfenbein geschnitzt sein können, so makellos, hart und kalt war es. »Solltest du dich nicht auf dem Schlachtfeld tummeln?«
    »Und was ist mit dir?«, gab Balthazar zurück.
    »Wir waren natürlich dort. Es ist sagenhaft, wie viele Verwundete es in diesem Krieg gibt. Minié-Geschosse zerschmettern die Knochen, aber die Soldaten liegen noch stundenlang stöhnend herum. Köstlich. Tu nicht so, als hättest du dich nicht selbst davon überzeugt. Die Zweite Schlacht von Manassas hat uns auf deine Spur gebracht, musst du wissen.«
    »Die Zweite Schlacht am Bull Run«, berichtigte Balthazar. Aber

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