Balthazar: Roman (German Edition)
ritt. Sie saß auf Eb, während Balthazar sich die Stute aus ihrem Stall ausgeliehen hatte, die ziemlich alt und ziemlich launisch war. Das hatte dazu geführt, dass sie nicht mehr so oft geritten wurde, was wiederum zur Konsequenz hatte, dass sie ein bisschen fett geworden war. Balthazar hatte jedoch keinerlei Probleme mit ihr.
»Ich bin immer am besten mit Stuten klargekommen. Keine Ahnung, woran das liegt.« Balthazar klopfte seinem Pferd auf die rotbraune Flanke. Peppermint antwortete mit einem Schnauben. »Sie ist ein braves Mädchen.«
»Ja, bei dir schon.« Vielleicht hatte das alte Pferd nie etwas anderes als Freundlichkeit und Geduld gebraucht. »Der einzige andere Reiter, der sie bislang in den Griff bekommen hat, war Dakota. Er ist sanft mit ihr umgegangen, genau wie du.«
Einen Moment lang dachte sie an Dakota und daran, wie er vor weniger als einem Jahr gewesen war. Damals am Weihnachtsmorgen war er vor ihr hergeritten und hatte die ansonsten störrische Peppermint dazu gebracht, rasch den Hügel hinaufzuklettern, während sie auf Eb den beiden folgte. Der Nachhall ihres Gelächters schien noch immer über dem Wald zu liegen.
»Du sprichst nicht oft von Dakota«, bemerkte Balthazar. Seine Stimme war ruhig und ermutigte sie dazu, ihr Herz auszuschütten, wenn ihr der Sinn danach stünde, ohne sie im Mindesten zu drängen.
Skye wollte nur zu gerne über Dakota reden, aber es kam ihr nicht wie der richtige Zeitpunkt vor. Auf der anderen Seite schien der passende Moment nie zu kommen. Vielleicht sollte sie die Gelegenheit einfach beim Schopfe packen. »Er war der Tapferere von uns beiden. Der Unabhängigere.«
»Du kommst mir auch ganz schön tapfer vor.«
»Du kanntest Dakota nicht.« Plötzlich war sie sich sicher, dass Balthazar und Dakota einander gemocht hätten. Sie waren sich zwar nicht allzu ähnlich, aber sie wären gut miteinander ausgekommen. Auch das machte den frühen Tod von Dakota so grausam: Ihm waren diese Freundschaft und die Erlebnisse versagt worden. Skye starrte auf die Zügel in ihren Händen. »Er war kein Rebell. Mom und Dad waren gar nicht häufig genug zu Hause, als dass man gegen sie hätte aufbegehren können. Aber Dakota hat immer sein eigenes Ding gemacht. Er hat sich alles Mögliche getraut. Eines Tages wollte ich so furchtlos sein wie er. Aber ich wusste, dass unsere Eltern mich mehr brauchten als ihn. Also habe ich mich immer für die sichere Seite entschieden und ihretwegen stets das Richtige getan.«
»Du steckst immer zurück«, sagte Balthazar. Seine Stimme war so zärtlich, dass Skye nicht wagte, ihn anzuschauen. »Dein Bruder scheint ein toller Kerl gewesen zu sein.«
»Ja, das war er.« Dann verdrängte Skye die Erinnerung so rasch, wie sie gekommen war. »Lass uns weiterreiten.«
Sie waren auf dem Hügelkamm, einen dreißigminütigen Ritt von ihrem Elternhaus entfernt. Nach dem schrecklichen ersten Angriff hatte es eine Weile gedauert, bis sie sich wieder mit Eb nach draußen getraut hatte. Selbst mit Balthazar an ihrer Seite hatte sie immer noch große Angst. Mrs Lefler ritt Eb häufig genug, um sicherzustellen, dass er ausreichend bewegt wurde, sodass Skye beruhigt aussetzen konnte. Aber irgendwann vermisste sie ihre Ausflüge einfach zu sehr. Es wäre zu grausam, wenn Redgrave ihr auch noch diesen Teil ihres Lebens nehmen würde.
Außerdem hatten die Wälder im Winter ihre ganz eigene, raue Schönheit, und es hatte sich herausgestellt, dass Balthazar ein begeisterter Reiter war.
»Versteh mich nicht falsch«, hatte er gesagt, als sie zusammen ins Tal hinabblickten. Die kahlen Äste der Bäume glänzten silbern vom Frost. »Ich liebe Autos durchaus. Mein erstes habe ich mir 1912 gekauft. Aber manchmal vermisse ich die Pferde.«
Skye wusste es zu schätzen, dass er so bereitwillig das Thema wechselte. »Bist du viel geritten, als du … noch am Leben warst?«
»Manchmal. Meistens haben wir unser Pferd allerdings gebraucht, um den Wagen zu ziehen.« Balthazar ließ den Blick zum Horizont schweifen, wo noch ein kleines Stück der Stadt zu erkennen war, ein paar Häuser und ein Kirchturm. »Aber im achtzehnten Jahrhundert hatte ich ein eigenes Reitpferd. Bucephalus. Er sah aus wie ein Wrack und bestand immer nur aus Haut und Knochen, egal, wie viel man ihm zu fressen gab, aber dieses Pferd konnte vielleicht galoppieren.«
»Warum hast du ihm denn so einen verrückten Namen wie Bucephalus gegeben?«
»So hieß das Pferd von Alexander dem Großen«,
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