Baltrumer Bitter (German Edition)
mich allerdings kurz und knapp verabschiedet. Musste doch
wissen, wie es euch geht. Es war übrigens gar nicht so einfach, hier herzukommen.
Alles liegt voll mit Ästen und anderen Dingen, die in der Gegend herumgeflogen
sind.«
Margot lächelte. »Schön, dass du es trotzdem geschafft hast.
Wir müssen uns um die Meerschweinchen kümmern. Dann um die Löcher in unserem
Dach. Bevor der nächste Sturm kommt. Womit ich nicht meine, dass du dort oben
raufsteigen sollst! Für so was gibt es Fachleute. Aber jetzt gehen wir erst
einmal rein zu Hilda. Ich schaue, ob ansonsten im Haus alles in Ordnung ist,
und du machst uns einen Kaffee.«
Gerade als sie aufstehen wollten, sahen sie eine völlig
durchnässte Gestalt, die sich mit schlurfenden Schritten näherte. »Herr Visser.
Wo kommen Sie denn her?«, fragte Margot verblüfft.
»Fragen Sie nicht. Ich habe gerade die schlimmste Viertelstunde
meines Lebens verbracht.« Stockend erzählte Frank Visser, wie der Regen von
allen Seiten gekommen war. »Ich konnte nicht mal aufstehen. Ging nicht. Der
Wind war so stark, dass er mich platt auf den Boden gedrückt hat. Und die
Hagelkörner … Ich glaube, ich habe überall blaue Flecken.«
»Dann gehen Sie erst einmal hoch, trocknen sich ab und ruhen
sich ein wenig aus«, tröstete Margot ihn. Sie hatte das Gefühl, dass ihr Gast
noch etwas sagen wollte. Doch er schob seinen geschundenen Körper durch die
Haustür und verschwand.
Als sie ins Haus gingen, meinte sie, aus der Wohnung von Herrn
Visser und Frau Ufken einen lauten Streit zu hören. Und irgendwie hatte sie das
Gefühl, dass sich noch eine andere, rauchigere Stimme dazwischenmischte.
Blödsinn, dachte sie, wo sollte die herkommen? Es war bestimmt nur der
Fernseher, der bei offenem Fenster dudelte.
*
Welche war die Richtige? Die See war bestimmt noch rau. Die
Grüne! Genau. Die passte zum Wetter. Die richtige Angel auszusuchen, war schon
eine Kunst für sich. Aber dafür hatte er ein untrügliches Gespür. Mal sehen, ob
die Flut ihm wieder einen dieser leckeren Wolfsbarsche servieren würde, die es
neuerdings an die Nordseeküste getrieben hatte. Enno Lohmann schnaufte
vernehmlich, als er seine Angel-Utensilien über die Schulter warf und sein Büro
verließ.
Er warf Thea Holle einen
kurzen »Ich-bin-dann-mal-weg«-Blick zu, aber sie beachtete ihn gar nicht. Hatte
den Telefonhörer am Ohr und schien beruhigend auf jemanden einzureden. »Ja, die
Feuerwehr kommt bestimmt«, hörte er nur, als er die Tür des Vorzimmers hinter
sich schloss. »Es sind halt so viele Keller vollgelaufen.«
Na, da bekamen seine Jungs wieder eine Aufgabe. Wofür hatten
die schließlich die teure Ausrüstung? Dazu Lehrgänge und Schulungen. Alles dem
Steuerzahler aus der Tasche gezogen. Dann sollen sie auch was tun, wenn’s
brennt. Er feixte lautlos. Wenn’s brennt. Genau das Gegenteil war der Fall.
Aber immerhin. Exakt dafür waren die Jungs eben da. Nicht nur fürs Biertrinken
oder um einmal im Jahr beim Tag der Offenen Tür den anderen Feuerwehr-Junkies
ihre schicken roten Autos zu zeigen und Bratwurst zu verkaufen.
Lohmanns Feixen schlug spontan in Missmut um, als ihm die
letzte Feuerwehrjahreshauptversammlung wieder in den Sinn kam. Die war zwar
schon einige Monate her, stieß ihm aber immer noch sauer auf. In der von ihm
jährlich erwarteten Lobhudelei an das Ehrenamt waren ihm plötzlich Stimme und
Text weggeblieben. So was passierte ihm eigentlich nur selten. Reden war seine
Stärke, das hatte neulich einer seiner Angelfreunde abends beim Bier extra betont.
Aber beim Anblick dieser Typen mit ihren stolzgeschwellten Brüsten in den
blauen Uniformen konnte einem schon mal die Spucke wegbleiben. Das war legitim.
Der Gemeindebrandmeister, dieser Meinders, hatte ihn eine Zeit
lang spöttisch angesehen und dann den nächsten Tagesordnungspunkt aufgerufen.
Nach der Sitzung hatte er sofort gehen wollen, einem Absacker an der Theke aber
nicht widerstehen können. Wäre ja unhöflich gewesen. Ein Fehler, wie sich
herausgestellt hatte. Die Sprüche waren nicht nett gewesen, die er sich hatte
anhören müssen. Blödes Pack. Was bildeten die sich eigentlich ein? Nur weil sie
in roten Autos in der Gegend herumfuhren.
Und genau dieser Meinders hatte ihn soeben mit der Aufforderung
genervt, er solle Katastrophenalarm auslösen. Knapp eine Viertelstunde lang ein
paar Windböen und dann gleich so ’n Heckmeck. Er hatte wieder mal einen halben
Herzinfarkt bekommen, als die Sirene über seinem
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