Baltrumer Bitter (German Edition)
Büro losgedonnert war. Gut,
ein paar Dächer waren abgedeckt worden. Mussten eben die Dachdeckerfirmen anrücken.
Mehrere umgekippte Strandkörbe waren auch wohl dabei. Aber sonst? Konnte alles
passieren an der See.
Er würde später sein Bedauern und sein Mitgefühl ausdrücken.
Machte sich immer gut. Nur wem und wie, darüber musste er noch nachdenken.
Aber er wusste, dass er beim Angeln immer die besten Eingebungen
hatte. Hinterher würde er ein Bierchen im Strandcafé nehmen.
Vielleicht lief ihm so ganz nebenbei noch was Nettes über den
Weg. So was wie die Kleine heute Morgen. Hatte verdammt gut ausgesehen. Und sie
hatte wirklich was auf seine Meinung gegeben.
Die Tür zu Steenkens Büro stand weit offen. Es war leer, doch
neben dem Computer sah Lohmann im Vorbeigehen eine viereckige Glasflasche mit
goldfarbenem Verschluss und rötlich-braunem Inhalt. Wieder einer aus der Keller-Destille
seines Untergebenen? Saufen im Dienst, das wäre doch mal ein Kündigungsgrund.
Da würde er morgen gleich hinterhergehen. Und außerdem: Einfach am frühen
Nachmittag das Büro zu verlassen, war schon eine Frechheit an sich. Der Mann
hatte sich sicherlich auch nicht ausgestempelt.
Doch nun erst zur Buhne. Der Fisch wartete.
*
Sie hatten es geschafft. Kurz bevor das Unwetter losschlug,
waren sie in der Ferienwohnung angekommen. Das war allerdings das einzig
Positive, was Klara über den bisherigen Tag sagen konnte. Seit einer guten Stunde
saß Sonja schmollend auf dem Sofa und weigerte sich zu glauben, dass Frank die
Nacht genau hier verbracht hatte und nicht im Schlafzimmer bei Klara im
Doppelbett.
Unglaublich eigentlich. Da warf ihr die Frau, die sie liebte,
gleich zwei völlig aus der Luft gegriffene Beschuldigungen an den Kopf.
Erstens, dass sie Sonja untreu würde, sobald sich die Gelegenheit böte.
Zweitens, dass sie Männer bevorzuge. Wie konnte man nur so misstrauisch sein?
Sie hatte ihr nie Anlass zu Zweifeln gegeben. Klara waren solche Gedankengänge
bis dato völlig fremd gewesen. Im Gegenteil, es machte sie hibbelig, sich damit
auseinandersetzen zu müssen. Sie waren überflüssig wie ein Kropf.
»Was ist nun? Friede?«, versuchte sie den Ansatz einer
Versöhnung.
Sonja schwieg.
»Weißt du was?« Klaras Stimme wurde eine Nuance lauter. »Ich
habe keine Lust auf diesen Quatsch. Entweder glaubst du mir, oder du gehst.
Dann kannst du bis Donnerstag überlegen, ob du mir vertraust, oder ob wir uns
besser trennen sollen.« Klara erschrak. Das war so ungefähr das Letzte, was sie
hatte sagen wollen. Aber das Schweigen ihrer Freundin nervte sie tierisch. Sie
schaute aus dem Fenster. Das Unwetter hatte nachgelassen.
»Hallo, Schatz, könntest du mir mal den Rücken massieren?«
Ruckartig drehte Klara sich um und sah ihren Kollegen Frank
klatschnass mit bloßem Oberkörper in der Tür der Ferienwohnung stehen.
Sonja sprang auf, kreidebleich im Gesicht. »Wisst ihr was? Ihr
könnt mich alle mal. Das werdet ihr noch bereuen.« Sie griff nach ihrer Tasche,
stieß Frank zur Seite und war verschwunden.
Klara konnte kaum begreifen, was sich da gerade vor ihren Augen
abgespielt hatte. Nur langsam registrierte sie, dass Sonja nicht mehr da war
und stattdessen Frank sie Mitleid einfordernd anschaute.
»Sag mal …« Ihre Stimme klang bedrohlich leise. »Was sollte
das? Ich hatte sie gerade so weit, dass sie mir wieder glaubte, und nun kommst
du mit diesem Scheiß?«
Zerknirscht schloss Frank die Tür. »Sollte doch nur ein Scherz
sein. Mir zur Aufmunterung vielleicht. Aus meinen Worten sprach die pure
Verzweiflung. Mir tut echt alles weh.« Er lehnte sich kraftlos an die Wand.
»Du elendes Miststück!« Jetzt schrie Klara aus voller Kehle.
»Du hast genau gewusst, was du mit deinen Worten anrichtest!« Sie holte aus und
schlug ihm ihre geballte Faust mit voller Kraft ins Gesicht.
Statt sich lautstark zu wehren, verdrehte er die Augen,
rutschte die Wand herunter und blieb bewegungslos auf dem Fußboden liegen.
Klara stockte das Herz. Was hatte sie da angestellt?! Sie
kniete sich hin und schüttelte an Franks Schulter. »Mensch, Frank, war nicht so
gemeint. Wach doch auf. Das wollte ich nicht!« Atmete er noch? Ganz dicht
beugte sie ihr Gesicht über seines, sah nicht, wie die Tür ein zweites Mal
leise geöffnet und ebenso leise wieder geschlossen wurde.
*
Lächelnd griff Jan Wybrands hinter sich in den Schrank und
holte eine halb volle Flasche Cognac heraus, als das Telefon klingelte.
»Hallo, Hanefeld. Was
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