Baltrumer Bitter (German Edition)
als sie die Tür zur Küche öffnete und ihren Mann vor sich sah,
waren alle Zweifel verschwunden. Wenn er wirklich etwas mit dem Tod von Herrn
Visser zu tun gehabt hätte, würde er jetzt nicht am Tisch sitzen und auf sein
Abendessen warten.
»Na, wo hast du gesteckt, mein Lieber?« Sie drückte ihm einen
Kuss auf die Wange.
»Bei Ulfert Pallmann«, sagte er düster. »Er überlegt, seine
Häuser dem Wybrands zu verkaufen. Nur der niedrige Preis, den der ihm geboten
hat, hat ihn noch davon abgehalten.«
Konsterniert setzte sich Margot ihrem Mann gegenüber. Dass
Wybrands mit Ulfert gesprochen hatte, wusste sie inzwischen von Frau Ufken.
Aber sie hatte nicht geglaubt, dass Ulfert wirklich und wahrhaftig daran
dachte, seine Häuser an den Immobilienmenschen zu verscherbeln. Sie hatte
Ulfert immer als einen Bewahrer des »alten« Baltrum gesehen. Und nun das?
»Ulfert hat nicht die Zeit und das Geld zum Sanieren«, sagte
Arnold. »Wybrands hat ihm versprochen, die alten Häuser wieder aufzumöbeln. Wenigstens
das. Wenn man dem Mann nur glauben könnte. Mein Kollege hat mir nämlich so eine
seltsame Sache erzählt von einem angeblichen Großprojekt im Ostdorf …«
»Ich muss dir was sagen.« Margot berichtete ihrem Mann, was sie
erfahren hatte. Gespannt wartete sie auf seine Reaktion. Doch die blieb aus. Er
saß einfach nur da. Saß einfach da und rührte sich nicht.
»Arnold?«, sagte sie nach einer Weile und beugte sich zu ihm
hinüber. »Arnold, ist dir nicht gut?«
»Nein. Mir ist nicht gut. Verbrecher. Es sind alles Verbrecher.«
Er stand auf, zog im Gehen seine Jacke über und verschwand.
Margot schaute sprachlos hinter ihm her. Sie hatte nicht einmal
mehr die Gelegenheit gefunden, ihn zu fragen, ob er nun bei Thorsten Wissmann
gewesen war oder nicht.
*
»Das wäre nun wirklich nicht nötig gewesen!«
»Was? Dass ich die Leute nach ihrem Aufenthaltsort frage? Was
ist denn dabei?« Klaus Kockwitz schaute Röder prüfend an.
»Nicht, dass du gefragt hast, sondern wie du gefragt hast,
kommt bei den Leuten hier nicht besonders gut an«, wandte Röder ein.
»Aha, dann kommt bei denen also besser an, wenn man sie in Ruhe
lässt, ihnen liebevoll Honig ums Maul schmiert und alles glaubt, was die
sagen«, erwiderte Kockwitz scharf. »Nur: So kommen wir leider nicht weiter. Wir
haben es hier ziemlich sicher mit einem Mord zu tun. Und wie ich die Sache
sehe, stochern wir erfolglos im Dunklen.«
»Ist auch logisch, wenn man bedenkt, dass seit dem Auffinden
der Leiche erst ein paar Stunden vergangen sind. Trotzdem – ein bisschen mehr
Fingerspitzengefühl solltest du schon an den Tag legen. Glaube mir, ich kenne
die Leute hier.«
»Das ist eben das Problem«, sagte Kockwitz gerade so leise,
dass sein Kollege es hören konnte.
Fassungslos blieb Röder abrupt stehen. »Das ist nicht dein
Ernst, oder? Was willst du mir damit unterstellen?«
»Ach, eigentlich nichts. Aber wenn du dich angesprochen fühlst
…«
Michael Röder hatte genug. Wäre doch nur Arndt Kleemann bei
ihm! Bereits im Jahr zuvor hatte er mit Kockwitz nicht die besten Erfahrungen gemacht.
Schon damals hatte er die zynische Art dieses Kollegen schwer erträglich gefunden.
Er hätte sich von dem Mann wirklich etwas mehr Zurückhaltung gewünscht. Mit
offenen oder auch nur versteckten Anschuldigungen würden sie bei vielen
Insulanern nicht sehr weit kommen.
Die von Kockwitz so schamlos angedeutete Vermutung, er würde
mit den Inselbewohnern unter einer Decke stecken, grenzte an Verleumdung aller.
Schweigend liefen sie an der alten Inselkirche vorbei. Kurz vor
dem Frischemarkt schallte ihnen fröhliches Gebell entgegen. Röder
blickte auf und sah Amir mit wedelndem Schwanz auf sich zukommen. Ohne Leine.
War er Sandra entwischt? Übermütig sprang der Heidewachtel an ihm hoch. Zu spät
kam das übliche Handzeichen, das dem Hund sagte: Nein, das will ich nicht.
»Hallo, Michael!« Sandra war vom Fahrrad gestiegen und lachte.
Dann fiel ihr Blick auf den Mann neben Röder, der inzwischen ebenfalls
erfolglos versuchte, Abstand zwischen sich und den Hund zu bringen. »Amir war
einfach nicht zu bändigen, als er dich sah. Ich musste ihn kurz von der Leine
lassen. – Amir! Hierher!«, rief sie energisch und der Hund folgte sofort. »Er
gehorcht meistens. Aber manchmal geht das jugendliche Temperament mit ihm
durch«, erklärte Sandra fröhlich.
Kockwitz allerdings nahm dies nicht mit der gleichen Heiterkeit
auf. »Es soll tatsächlich Leute geben,
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