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Bamberger Verrat

Bamberger Verrat

Titel: Bamberger Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Degen
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und ihren Problemen, von ihren eigenen Schwierigkeiten mit den Korrekturen, von der Nachttischlampe und dem Besuch beim Kinderarzt; die Worte strömten wie ein Wasserfall, hinter dem sie sich verbarg. Kein Wort über Benno oder Paolo.
    Sie hatten die Pizza schon fast aufgegessen, als Kunigunde schließlich fragte: »Also, Kleines, was ist los? Was ist das für eine Geschichte mit Benno?«
    Urplötzlich schoss eine Welle von Wut in Hanna hoch. »Nenn mich nicht immer Kleines! Ich bin schließlich erwachsen«, fauchte sie.
    Kunigunde sah sie prüfend an und zog die Augenbrauen hoch. »Aha«, sagte sie kühl.
    Warnung genug.
    Hannas Zorn fiel so schnell in sich zusammen, wie er gekommen war. Sie stützte die Ellbogen auf den Tisch und legte den Kopf in die Hände.
    Â»Entschuldige«, sagte sie erstickt. »Ich weiß auch nicht … Ich bin einfach … Es war wohl wirklich etwas viel heute.«
    Kunigunde legte ihr die Hand in den Nacken, ganz leicht nur und ungeheuer tröstlich.
    Â»Ist schon gut«, murmelte sie. »Das wird schon wieder.« Und laut fügte sie hinzu: »Ich mach jetzt den Nachtisch. Kannst du derweil die Spülmaschine einräumen?«
    Hanna trug das Geschirr in die Küche, und mit jedem Stück, das sie in die Maschine ordnete, steckte sie ein Fetzchen Traurigkeit mit weg. Als sie den Deckel zuklappte, fühlte sie sich tatsächlich etwas besser.
    Dennoch rief sie plötzlich trotzig: »Und außerdem ist er ein lausiger Krankenpfleger. Nie sieht er von selbst, was notwendig ist. Um jeden Pups muss man ihn bitten und sich dann auch noch großartig bedanken dafür. Und wenn er ein Bett aufschütteln soll, dann fasst er es nur mit zwei Fingern an und rüttelt so ein bisschen dran!«
    Kunigunde wusste sofort, von wem Hanna sprach, und sagte mühsam beherrscht: »Aber du bist doch gar nicht krank.«
    Â»Aber ich könnte es werden.«
    Da konnte sich Kunigunde einfach nicht mehr zurückhalten – sie lachte, bis ihr die Tränen kamen und sie sich auf einen Stuhl fallen lassen musste.
    Â»Entschuldige bitte!« Sie suchte nach einem Taschentuch. »Ich habe wirklich ganz schreckliches Mitleid mit dir.« Sie hielt sich den Bauch, als ein neuer Lachanfall sie schüttelte.
    Hanna hatte sie zunächst wütend betrachtet, dann hatten ihre Mundwinkel zu zucken begonnen, und schließlich stieg ein glucksendes Lachen in ihr auf, das sich immer mehr ausbreitete.
    Â»Vielleicht bin ich ja wirklich ein Idiot.« Sie wischte sich Tränen aus den Augen, von denen sie selbst nicht wusste, ob sie vom Weinen oder vom Lachen kamen.
    Â»Möglicherweise«, sagte Kunigunde leise und strich Hanna übers Haar.
    Es gab Vanilleeis mit Kunigundes köstlichem Himbeermus. Hanna saß da, kratzte das Weiche von den Eiskugeln und zog geschwungene Linien von rotem Mus durch die dicke gelbe Soße. Nach einer Weile sah sie auf und lächelte etwas kläglich.
    Â»Erzähl ein bisschen von deiner Arbeit, ja?«, bat sie. »Wie weit bist du mit deinen Interviews? Du warst doch neulich bei dem Bruder von deinem Franz Novak, oder?«
    Â»Bei Wilhelm Novak, ja. Vor drei Wochen. Das war irgendwie … gruselig.«
    Kunigunde sah sich wieder in dem düsteren, bis zur halben Höhe abwaschbar gestrichenen Flur, wo Wilhelm Novak, groß, hager und trotz seines Alters kaum gebeugt, mit sehr kurz geschnittenem, streng gescheiteltem Haar, ihr den Mantel abgenommen und an die Garderobe gehängt hatte. Die war das einzige Möbelstück in diesem Flur, ein paar Kleiderhaken auf einem hellgrün gestrichenen Brett, von dessen abgerundeten Ecken die Farbe abblätterte. Ein steifer schwarzer Herrenmantel hing dort auf einem Kleiderbügel. Es roch nach Desinfektionsmittel und altem Zigarettenrauch. So stellte sich Kunigunde den Geruch in Kasernen vor.
    Auch das Wohnzimmer war nicht gerade ein Hort der Gemütlichkeit, angegraute Wände, grauer Fußboden, graue Aktenordner in grauen Stahlregalen. Nur ein überraschend moderner großer Fernsehapparat deutete darauf hin, dass Wilhelm Novak hin und wieder etwas Farbe sah. Er hatte sich hinter seinen Schreibtisch gesetzt und ihr den Stuhl davor angeboten.
    Â»Es ist wirklich eigenartig, was so eine Geste, so eine simple Sitzanordnung, bewirkt«, sagte Kunigunde nachdenklich. »Augenblicklich wird die Hierarchie festgelegt, wird bestimmt, wer

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