Bambule am Boul Mich
ließ sie weiterschnarchen und verließ das Hotel. Am Steuer
meines Wagens stopfte ich mir eine Pfeife. Jacqueline, vergessen Sie nicht den
Riegel für Ihre Tür! Um Mauguio an seiner nächsten Offensive zu hindern... oder
jemand anderen.
Ich ließ den Motor an und fuhr
in Richtung Heimat.
Der Vater des
Selbstmörders
Am nächsten Morgen stand ich um
neun Uhr auf. Ich hatte schlecht geschlafen, fühlte mich aber topfit. Es
schneite nicht mehr. Über Paris schien eine beinahe frühlingshafte Sonne.
Trotzdem war es ziemlich kalt. Ich setzte mich ins Auto und fuhr in Richtung
Quartier latin. Wollte diesem Mauguio ein paar Fragen stellen, dem Kerl, der
sich den falschen Moment ausgesucht hatte, um der Frau seiner Träume eine
Überraschung zu bereiten. In der Nacht konnte man im Hôtel Jean wie in einem
Taubenschlag aus- und eingehen. Tagsüber war das sicher auch nicht viel anders,
aber der Concierge schlief nicht. Ich mußte mir also eine Erklärung ausdenken,
da er mir ein fragendes sowie unrasiertes Kinn entgegenreckte.
„Zu Mademoiselle Carrier,
bitte“, versuchte ich es anstatt einer Losung.
„Zweite Etage, Nr. 12. Hat sie
heute Sprechstunde? Na ja, ich will nichts gesagt haben. Hier ist Haus der
Offenen Tür. Die nette Kleine hat soviel Pech gehabt.“
„Ich weiß. Ihr Verlobter, nicht
wahr?“
„Ja. Hat sich einfach
umgebracht...“
Er sah vorsichtig zur Treppe.
„Der Idiot!“ schimpfte er.
„Kannten Sie ihn?“
„Na ja...“
Wieder ein Blick zur Treppe.
„Kam ja oft genug hierher.“
Ich stellte ein kleines Verhör
an mit dem Wachhund, erfuhr aber nichts Neues. Er redete sehr viel, sagte aber
nichts über den Vorfall von heute nacht. Anscheinend wußte er gar nichts davon.
Ich ließ ihn mit seiner Arbeit und den verstohlenen Blicken allein und ging in
die dritte Etage zu dem ramponierten Saufbold. Auf dem Flur traf ich
Jacqueline.
„Oh! Monsieur Burma!“ rief sie.
„Wollten Sie zu mir?“
„Nein, ich wollte nach Ihrem
Verehrer sehen. Heute nacht hatte er schon geschlafen.
Diese Schläge auf den Hinterkopf...“
„Ich war gerade bei ihm. Ich...
Ich habe mir auch Sorgen gemacht. Ist vielleicht dumm... weil ich ihn nicht
sympathisch finde, aber... na ja. Ich hab Dr. Leverrier angerufen. Der soll ihn
mal untersuchen.“
„Pauls Vater?“
„Ja...“
Sie nahm meine Hand.
„Er ist grad da. Kommen Sie,
ich stell Sie ihm vor... oder...“
Sie ließ meine Hand wieder los.
„Oder was?“
„Vielleicht möchten Sie das
nicht... Ich weiß nicht... Ich weiß nicht, wie Sie vorgehen bei Ihrer Arbeit.“
„Für meine Ermittlungen muß ich
mit allen Leuten sprechen, die mit Paul zu tun hatten. Besser, man macht das,
wenn sich die Gelegenheit dazu bietet. Würde mich freuen, ihn kennenzulernen.“
Wir gingen in Mauguios Zimmer.
Unser Kavalier neuerer Schule lag im Bett, am Hinterkopf einen dicken Verband.
Er sah jämmerlich aus, wie von Amors Pfeil getroffen. Dr. Leverrier stand am
Kopfende, André als Assistent daneben.
„Sehr gut“, sagte der Ältere.
„Sie haben das Richtige getan. Ich bin zwar eigentlich Gynäkologe, hab also im allgemeinen mit anderen Beulen zu tun. Aber ob ein Patient
in den letzten Zügen liegt oder nicht, kann ich beurteilen... Sie haben ganz
schön was abgekriegt, mein Lieber“, sagte er zu Mauguio und tätschelte ihm den
Arm. „Ein kräftiger Schlag. Aber mehr auch nicht. Sterben werden Sie nicht.“
Jetzt drehte er sich zu uns um.
Ein Mann von fünfzig Jahren, entsprechend gekleidet, gutaussehend, kalte Augen,
strenger Gesichtsausdruck. Genau distanziert wie auf den Fotos, die ich von ihm
gesehen hatte. Aber man soll nicht immer nach dem Äußeren gehen. Sein Scherz mit
den Beulen verriet einen gewissen Sinn für Humor. Und wenn Jacqueline die
Wahrheit gesagt hatte, dann wußte er von der etwas gewagten Nummer des Mädchens
bei Colin des Cayeux. Daß er dennoch sofort gekommen war, um den
Verletzten zu untersuchen, zeigte, daß er es ihr nicht übelnahm. Drei Punkte
für ihn: Sinn für Humor, keine Vorurteile und hilfsbereit. Trotzdem versteckte
er diese menschliche Wärme und tarnte sich als Stachelschwein.
„Dr. Leverrier“, sagte
Jacqueline, „ich möchte Ihnen Monsieur Burma vorstellen, den Detektiv.“
„Ach! Guten Tag.“ Leverrier gab
mir die Hand. „Mademoiselle Carrier hat mir schon von Ihnen erzählt.“
Sofort drehte er sich wieder um
und gab dem Medizinstudenten letzte Anweisungen. Dann nahm er seinen Hut und
schob Jacqueline
Weitere Kostenlose Bücher