Bambule am Boul Mich
nächstgelegene Markise, um dem Platzregen zu entfliehen.
Ein zottiger Schäferhund, der ihnen die lästigen Gelegenheitsfotografen vom
Leib gehalten hat, folgt ihnen jaulend auf dem Fuß.
Ich stochere lustlos im lauwarm
servierten Tintenfisch zum billigen 40-Francs-Menu beim Griechen.
Essen ist dort
Nahrungsaufnahme, Kalorienverzehr, kein gastronomisches Erlebnis. Die Place de
la Contrescarpe ist ein Treffpunkt, für Clochards und für Touristen, nicht für
die Gourmets der Schickeria. Hier ißt man nicht, hier ist man.
Einen wahren Satz mußt du
schreiben, hat Hemingway gesagt.
Hier also hatte Burma den
farbigen Studenten Toussaint Lanouvelle ausfindig gemacht. Aber da Léo Malet
sich seine Adressen zuweilen aus verschiedenen Zutaten zusammenmixt, mag man
sich den Bal Antillais und die darüberliegenden Wohnungen aussuchen. Der Nèqre
Joyeux wäre wohl eine allzu platte Anspielung, die urige Bierkneipe „La mort
subite“ (zum plötzlichen Tod) ein allzu makabrer Hinweis.
Aber, gleich um die Ecke, in
der Rue Mouffetard, der quirligsten Marktstraße von ganz Paris, da findet sich
„la Martinique“ mit einem buntbemalten Schaufenster. Das wird es wohl sein.
Die Mouff, wie sie oft genannt
wird, hält jetzt, am frühen Nachmittag, ihre Siesta. Die noch morgens
überquellenden Marktstände sind leergefegt und in den unzähligen mediterranen,
meist griechisch geführten Tavernen schlürfen die letzten Mittagsgäste den
schwarzen Kaffee zum honigsüßen Kuchen.
Weiter unten, im Auslauf der
Mouff, ebbt der levantinische Lärm der vor allem für Touristen aufgeputzten
Grill-Schänken ab. Die ländlich-idyllisch anmutende St. Medard-Kirche verrät
nicht mehr daß der vor gut 250 Jahren aufgelassene Frièdhof ein Ort wilder
Exzesse war, als Hunderte von Frauen, die sogenannten Konvulsionärinnen, den
Tod eines früh verstorbenen Diakons der Gemeinde auf allzu enthemmte Art
betrauerten. Vermeintliche Wunderheilungen führten zu kollektiver Hysterie, die
erst auf königliches Geheiß gestoppt wurde.
Der belesene Toussaint Lanouvelle
mag in Erinnerung dieser Wunderheilungen, nur weniger hundert Meter entfernt,
daran gedacht haben, in seiner karibischen Kapelle Yolande wieder zum Leben zu
erwecken.
Auf der anderen Seite der Place
de la Contrescarpe, in der eher düsteren Rue Rollin, hatte sich der Bösewicht
van Straeten niedergelassen. Auf Burmas Spuren überquere ich die Rue Monge und
steige die Treppe zur Rue Rollin hoch.
„ Zwischen zwei baufälligen Häusern kam ich durch ein Tor auf einen Hof
mit verkümmerten Bäumen. Hier wohnte also dieser Holländer, ganz hinten in
einem niedrigen Pavillon .“ Die ehemals baufälligen Häuser wurden und werden
inzwischen zu luxuriösen Eigentumswohnungen umgebaut. Zum Teil jedenfalls. Die
weniger gut betuchten Studenten sind von dem stramm angestiegenen Mieten
vertrieben worden. Kein Platz mehr für windige Magier und Gaukler.
Altrömische Ruinen einer Arena
verheißt der Stadtplan ganz in der Nähe. Aber kein Vergleich zu Arles oder
Nîmes! Ein paar kümmerliche Steinreihen gruppieren sich um den sandigen Innenplatz
auf dem die Jungen Fußball und die Alten Boule spielen. Im dritten Jahrhundert
war die Arena zerstört und später zugeschüttet, im vergangenen Jahrhundert erst
wieder entdeckt und ausgegraben worden. Der Reiseführer bedenkt sie nur als
Randnotiz.
Da lohnt es sich schon eher,
auf dem Weg zum an der Seine gelegenen Quai St. Bernard, ein paar Schritte
durch den Botanischen Garten zu gehen. Die Arzte Ludwigs XIII. hatten ihn zu
Beginn des 17. Jahrunderts auf der Basis einer umfangreichen Heilkräutersammlung
des Königs angelegt. Später wurde daraus eine Botanikschule und schließlich
wurde dem Park ein Tiergarten angegliedert, in dem die erstaunte Pariser
Bevölkerung in den ersten Jahren nach der Revolution erstmals Giraffen und
Elefanten bewundern durfte. Zur Zeit der Kommune freilich diente der Zoo trotz
energischer, wenn auch vergeblicher Proteste der Naturwissenschaftler auf Grund
des dramatischen Nahrungsmittelnotstands als Nachschubbasis des Schlachthofes.
Eine lange Allee führt zur Seine hin an die Stelle, an der sich der junge Paul
Leverrier im Zustand drogenberauschter Verzweiflung eine tödliche Kugel in den
Kopf jagte.
Auf der anderen Seite des
Botanischen Gartens lohnt sich ein Abstecher in das maurische Café der in den
zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts erbauten Moschee. Der Service entspricht
zwar maghrebinischer Gelassenheit,
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