Banalverkehr - Roman
auch.«
»Wie, auch?«
Ich frage mich, während ich mich parallel dazu noch andere Dinge frage, warum man sich in Peinlichkeiten suhlen muss, obwohl noch genügend Zeit wäre, das Ganze mit sich alleine zu klären, irgendwie elegant umzuschwenken, aber da höre ich schon eine andere Frage, die sich durch die Telefonleitung drängt.
»Ich dachte, ich würde mitkommen?«
Für einen Moment ist es wieder still.
»Du? Mitkommen? Wieso denn? Ist doch die Hochzeit von meinem Bruder?« Richtig. Ich habe ja auch gar keinen, oder höchstens den imaginären, der schon vor Jahren sterben musste, damit ich ohne Kündigungsfrist aus meinem Arbeitsverhältnis rauskomme.
»Ich dachte, weil … also weil, wir sind doch … sind wir nicht?« Ich muss dringend aufhören hier rumzustottern, bevor ich noch ersticke an diesem Mist. Ich räuspere mich und versuche es mit Haltung. »Was sagst du denn, wenn dich jemand nach mir fragt?«
»Wieso sollten sie mich nach dir fragen?«
Hört noch jemand außer mir diese Paukenschläge? Wo kommen die her und überhaupt: Was ist denn eigentlich hier los?
»Das heißt, du hast niemandem erzählt, dass wir … dass wir, also dass wir …?«
»Na, ich kann doch nicht gleich von jeder Affäre erzählen, Puppe! So was käme bei mir zu Hause nun wirklich nicht gut an.«
»Aff …?«
Wow! Die Welt kann tatsächlich aufhören sich zu drehen. Ist das zu fassen?
»Was wir haben, ist also eine Affäre!?«
Sie steht still, doch sie versucht, ihren Motor anzuwerfen und knattert verzweifelt wie mein alter Polo. Und es wäre so leicht, wenn ich jetzt einfach meine Fresse halten würde.
»Edo, ist das jetzt dein Ernst?! Affäre?«
»Okay, sagen wir, so eine Art Schwebezustand.« Es knattert weiter.
»Schw …?« Und knattert.
»Och, Püppchen. Affäre ist doch nichts Negatives. Und wie sonst sollte man das denn nennen?« Und dann gibt es einen Knall, und aus dem Auspuff kommt eine große schwarze Wolke und danach nichts mehr. Die Welt ist tot, und nicht mal der ADAC kann da noch groß was machen. »Die Kosten für eine Reparatur würden den Zeitwert um das mindestens Dreifache übersteigen. Das lohnt sich nun wirklich nicht«, sagt der Gelbe Engel, und ich sehe ihm zu, wie er die Welt ordnungsgemäß an seinem Fahrzeug befestigt und zum nächsten Schrottplatz schleppt.
»Ach so«, sage ich, der größte Idiot seit Menschengedenken, der, der die Welt auf dem Gewissen hat, und wegen dem wir nun alle schwerelos durch ein leeres Universum gleiten ohne Halt und festem Boden unter den Füßen. Scheiße.
»Weißt du was?«, höre ich fröhlich von Edo, der scheinbar noch gar nicht bemerkt hat, dass die Welt nicht mehr da ist, »wie wäre es, wenn du mich zum Flughafen fährst? Kannst auch das Cabrio nehmen, das hab ich vorhin noch schön durch die Waschanlage gejagt.«
Ich glaube, ich sage zu, bevor ich mich in dieser Nacht in den Schlaf heule und er am nächsten Morgen gegen acht bestens gelaunt an meiner Tür klingelt. Ich frage mich, warum ich ihn nicht gleich gefragt habe, ob ich mitkommen soll oder kann, als er mir von der Hochzeit erzählt hat. Habe ich es geahnt? Wollte ich es nicht wahrhaben? Nein, für mich war es selbstverständlich, genau wie für ihn, nur auf komplett andere Art und Weise. Kurz darauf sitze ich wortlos hinter dem Steuer seines Cabrios und chauffiere Edo, dessen Kopf an der Kopfstütze des Beifahrersitzes lehnt, während er die Augen zu und den Mund offen hat, zum Flughafen. Vor dem Terminal wacht er auf und lacht, die Nacht war kurz, und in Anbetracht des Riesendings, das ihm bevor steht, müsse er jede Minute nutzen, die er schlafen könne. Er drückt mir einen Kuss auf die Wange, dann wirft er die Tür zu und holt seine Tasche aus dem Kofferraum. Ich warte noch, bis sich die Glastüren zuschieben, während hinter mir wild gehupt wird. Irgendjemand hat es scheinbar eiliger als ich, hier wegzukommen. Vielleicht, weil derjenige nicht insgeheim hofft, dass die Person, die er gerade abgesetzt hat, zurückkommt und ihn doch noch bittet ihn zu begleiten. Schließlich habe ich ein Einsehen und lenke das Auto auf den Parkplatz hinter dem Terminal. Ich bleibe sitzen, regungs- und empfindungslos, bis die Uhr neben dem Tacho 9:52 Uhr und damit Edos Abflugzeit anzeigt, bevor ich aussteige und am Himmel nach einem Flugzeug suche, in dem er sich vermuten ließe. Erst sind da nur ein paar große Vögel, echte, und ich denke, fehlt nur noch, dass mir einer von denen auf den Kopf kackt,
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