Banalverkehr - Roman
hinbekommen.
»Meinetwegen. Aber sag ihm, er soll sich von daheim aus überlegen, wie wir die Fruchtgummis doch noch eintüten«, sagt er, während er das mit der Augenbraue macht.
»Mach ich. Danke, Otto.«
Ich denke, das wird kein Problem für Edo. Er kann alles und jeden retten. Mein Edo.
»Also, nochmal Krankenhaus oder was?«, fragt er, nachdem wir in sein Auto eingestiegen sind.
»Einfach nur nach Hause, bitte«, antworte ich. Ich will Itsy nicht nochmal sehen. Nicht so.
Zu Hause lege ich mich auf die Couch. Edo hat Kaffee für mich, einen Aschenbecher und einen Vorschlag. »Wir könnten ’ne Pizza bestellen und einen Film ausleihen.«
So. Und an dieser Stelle haben wir ein Problem, denn so sehr, unglaublich, wahnsinnig sehr, ich Edo, meinen wunderbaren, gottgleichen Edo, auch liebe …
»Hast du sie noch alle?«, … kommt mir sein Vorschlag doch ein bisschen ungelegen.
»Was ist denn los?«, fragt er, und sein Ton ist ruhig und fast schon unfassbar verständnislos, als hätte nicht er selbst früher an diesem Tag den springenden Punkt formuliert: Ich hätte dort liegen können! »Ich weiß, du meinst es gut, Edo, aber ich möchte jetzt weder Pizza noch einen Film gucken. Mir ist nicht so danach.« Ich merke, wie meine Nase anfängt zu laufen, und ziehe kräftig hoch. Itsy … Itsy und diese Angst, die Angst, dass ich Edo in diesem Moment verlieren könnte, weil ich ihn nerve, weil er es albern findet, dass ich ihretwegen so einen Aufstand mache. Und weil ich seine Pizza nicht will. Er hat bestimmt furchtbaren Hunger. Und ich bin so egoistisch …
»Ich glaube, es wäre besser, wenn du mich erst mal ein bisschen alleine lassen würdest«, sage ich. Er muss gehen, bevor er aufhören kann mich zu lieben. Und er muss nach Hause, dringend, dann kann er sich eine Pizza bestellen. Er muss doch furchtbaren Hunger haben. »Was würdest du denn alleine machen, was du nicht machen kannst, wenn ich dabei bin?«
»Ach, Edo.« Ich plane ja gar nichts. Ich will doch nur, dass du mich lieben kannst.
»Fressen und Kotzen? Saufen und dich vögeln lassen?« Ich will doch einfach nur hier sitzen, den Schmerz aus sitzen, der scheinbar für mich bestimmt ist, damit wir weitermachen können, du und ich. Mit Leuten, die nerven, kann man nicht mehr haben als eine Affäre. Doch bevor ich ihm all das erklären kann, reißt er mich vom Sofa und schleppt mich vor den Spiegel im Bad. »Guck dich an, Puppe!« Ich gucke und sehe ein verheultes Spiegelbild. Dramatisch sieht es aus, wie das Schwarz, das zuvor die Augen kunstvoll umrahmt hat, in kleinen Bächen herunterläuft.
»Du musst verdammt nochmal anfangen, dich wie eine Erwachsene zu benehmen! Ich bin doch nicht dein beschissenes Kindermädchen! Und ich hab keinen Bock, dass du bei jeder Kleinigkeit wieder ausrastest!«, brüllt er, und sein Ton erschreckt mich. Ich sacke ein bisschen zusammen, aber er hält mich unter den Armen fest, so dass ich aufrecht stehen bleiben muss. »Guck! Dich! An!«
Ich winde mich. Schlage um mich. Und höre mich schreien. »Nein!« und »Lass mich!« Edo hält inne und setzt mich dann auf dem Boden ab. Ich falle in mich zusammen wie eine Marionette, der man die Fäden durchgeschnitten hat. Ich schaue zu ihm hoch. Er fährt sich mit der Hand über die Stirn. Er sieht verzweifelt aus. Und ich bin es.
»Ich liebe dich …«, weine ich. Er schaut mich lange an, und ich glaube, er überlegt, ob er gehen oder bleiben soll. Ob ich ihm zu anstrengend bin, zu unerwachsen, zu unbedeutend, eine Affäre. Wir wissen, dass es eine Entscheidung ist, die nicht nur für diesen Moment gilt. Er stöhnt und schaut jetzt von einer Ecke des Badezimmers in die andere, bis sein Blick auf mir endet. Auf der kaputten Puppe. Dann setzt er sich neben mich, und ich lege meinen Kopf in seinen Schoß.
»Ich liebe dich«, sage ich nochmal. Ganz leise.
Die nächste förmliche Karte, die ich in meinem Briefkasten finde, ist schlicht weiß, mit einem dünnen, grauen Kreuz auf der Vorderseite. Drinnen steht Itsys Name, und sie hieß übrigens Sovic und nicht Itsy. Irgendwie, darunter ihr Geburtsdatum, der Tag, an dem sie gestorben ist, und der Termin für die Beisetzung. Sie ist an einem Samstag. Itsy hätte das gefallen, meint ihre Mutter, als ich sie auf der Beerdigung treffe. Samstag war Itsys Lieblingstag. »Da haben alle Clubs Open End«, sagt Frau Sovic und lächelt.
Erst wollte Edo nicht mitfahren, er war der Meinung, Itsy hätte ja auch eine Mutter, die sie aus
Weitere Kostenlose Bücher