Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition)
Feiertags alle Hotels ausgebucht sind. Müde, aber doch erwartungsvoll sitzt er vor ihm, sieht ihn aus großen blauen Augen an und umklammert ein blaues Buch mit seinen Händen.
«Sorry, mister. Your taxi driver is right: No hotel in Delhi today. Also tomorrow no hotel, everything booked out. So very sorry!»
Verrückt, was? In ganz Delhi gibt es heute Nacht kein einziges freies Zimmer mehr – wegen des Feiertags. Es ist das größte Fest in Indien.
«You do not know very important celebration? Very, very big in India!», sagt Lakshmi und lächelt.
Das Bleichgesicht deutet auf eine Adresse in seinem Reiseführer. Alle jungen Firangi reisen mit diesem Buch. Lonely Planet steht auf dem Buchrücken. In dem Buch, das weiß Lakshmi, wird vor Leuten wie ihm gewarnt. Ständig blättern sie in diesem Buch, als ob darin Brahmas Weisheit verkündet würde. Wenn es nach ihm ginge, würde er das Buch verbieten. Es ist geschäftsschädigend. Überhaupt muss man sagen, dass die älteren Firangi wesentlich angenehmer im Umgang sind. Sie sind besser gekleidet, haben mehr Geld und sind nicht so misstrauisch. Einer älteren Firangi-Frau, so um die 60, kann man fast alles erzählen und verkaufen. Sie glaubt einem immer. Alte Firangi-Frauen haben ein gutes Herz.
Alte Touristen haben auch Geld, sie kaufen Kitsch und reagieren auf zur Schau gestelltes menschliches Elend wie Tumore, fehlende Gliedmaßen und Ekzeme noch mit geldwertem Mitleid anstatt mit Gleichgültigkeit. Sie bezahlen immer den höchsten Preis, anstatt zu feilschen. Rucksacktouristen aber sind ein notwendiges Übel. Sie geben nicht mehr als 15 Euro am Tag aus, regen sich darüber auf, wenn sie den doppelten Preis bezahlen sollen, und fühlen sich wie Helden, wenn sie auf einem Markt den Preis auf die Hälfte gedrückt haben. Sie trinken Bier, sind laut, ihre Frauen kleiden sich wie Prostituierte und wundern sich dann, wenn man sie so behandelt. Ihre Haare sind verfilzt. Sie stinken, sind ungewaschen und wollen immer alles billig. Dabei könnten sie kleine Diebstähle, höhere Preise und Abzockereien doch einfach als das sehen, was sie sind: kleine Wiedergutmachungen für die Kolonialzeit oder Beiträge zur Entwicklungshilfe!
Lakshmi legt sich jetzt ins Zeug: Kein einziges Zimmer in ganz Delhi, das sei die Wahrheit. «Mister, you have really bad luck! Normally many, many, many, many hotels in Delhi, but today? Nooooo! Because of holiday!»
Aber er hätte da einen Vorschlag: Eine kleine Tour in den Norden nach Kaschmir, der schönsten Region Indiens! Mit Wanderungen, Ausflügen – alles gut organisiert von seinem Onkel für nur 500 Dollar! Noch heute Nacht könnte er nach Norden aufbrechen.
«We say in India Kashmir is paradise!», sagt Lakshmi.
Lakshmi redet und redet. Bald hat er das Bleichgesicht weichgeklopft. Sie sind immer müde, wenn sein Cousin Gopal sie zu ihm bringt. Müde, angeschlagen und unsicher: Opfer eben.
«I want my hotel. I don’t wanna go to fucking Kashmir», sagt das Bleichgesicht plötzlich. Das Lächeln auf seinem Gesicht ist verschwunden. Ahnt er etwas?
Lakshmi grinst. «No hotel, mister. Everything booked out.»
«I want my hotel.»
«Mister», sagt Lakshmi. Es fehlt nur eine Unterschrift, und das Bleichgesicht würde noch heute von seinem Onkel nach Kaschmir gebracht. 500 Dollar für eine Tour, die nicht mehr als 100 Dollar wert ist! Die ganze Familie hätte genug Geld für zwei Monate.
«Mister! This is really great opportunity for you! You should take it!»
«I want my hotel», sagt das Bleichgesicht wieder. Und dann wiederholt es diesen Satz immer wieder – wie ein kleines trotziges Kind.
«Iwantmyhoteliwantmyhoteliwantmyhotel!»
Er merkt nicht einmal, wie lächerlich er sich dabei macht, denkt Lakshmi. Er ist ein Idiot, ein dummer, bleicher Idiot mit einer Fettschicht auf dem Gesicht. Einer, der noch nie richtig gearbeitet hat, der mit dem Geld seines Vaters nach Indien reist, um herumzugammeln, am Ende nach Goa zu den verrückten Hipppies fährt und einer von denen wird, die gar nicht mehr heimkehren. Nur leider ist er sehr stur.
Der Firangi blättert wieder in diesem verdammten, besserwisserischen blauen Buch herum. Er deutet auf ein Hotel. Er sagt: «This is my hotel! I want to go there!»
Tatsächlich steht doch in diesem Buch die Telefonnummer des Hotels. Der Firangi will dort anrufen. Gut, denkt sich Lakshmi, wenn der Firangi glaubt, er ist schlauer als Lakshmi, soll er es eben glauben. Er hat da noch andere
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