Banatsko (German Edition)
Heideland mit den seichten Reimen und der immerwährenden Unstimmigkeit der Melodie.
In Lenauheim steht ein schwarzes Denkmal für den Dichter. Die Zigeuner sitzen vor den Häusern, die Wäsche flattert in den überdachten Veranden, in den Höfen türmt sich altes, zusammengeklaubtes Gerät, zerbrochene Wagen, wie sie einst durch die Heide schlichen, Autoteile, Reifenstapel. An den Hausgiebeln in Reliefschrift die Erbauernamen, Roemer, Paul, Dinescu, in anderen Dörfern heißen sie Vidicki, Georgiev, Rosen, Matica, die Häuser sind fast überall gelb, dazwischen der eine oder andere drei-, vierstöckige Block mit rostigen hellblauen, roten, gelben Balkongittern, bunte Plastikschnüre im Eingang zum Magazin Mixt und zur Bar im Erdgeschoss, wo die Männer stehend ihr Bier trinken, kleine, lockere, schweigsame Gruppen, die fremden Autos hinterher schauen.
In den Gräben von Lenauheim stand das Winterwasser, die Gänse zischelten an, wer ihnen zu nahe kam, die frischgeweißten Kirschbäume entlang der unebenen Straßen begannen zu blühen. Kinder jagten Entenscharen und Hühner, die Zigeuner blickten misstrauisch, als wüssten sie von dem Lied, das ich in ferner Schulklassenkindheit sang, stets am richtigen Ton vorbei. Vor einem Haus rupfte eine alte Frau in einem schwarzen Kleid an einem immergrünen Strauch. Ihre Bewegungen waren eckig und abgehackt, neben ihr lag eine Heckenschere im Gras, doch diese benutzte sie nicht und fuhr stattdessen mit den zu einer Schere verwinkelten Unterarmen in den dunklen borstigen Strauch.
Wo ist der Friedhof?, fragte ich sie auf Deutsch, sie drehte sich um.
Da, sagte sie, und nickte mit dem Kopf in eine Richtung. Ihre Stimme schnarrte aus einem kleinen Kasten in ihrer Kehle, es war eine rasselnde klanglose Sprechpuppenstimme, ein totes ›Da‹, bei dem sie den Kopf ruckte und den Hals steif zur Seite lehnte.
Ist es weit?, fragte ich, und wusste nicht warum, nichts hier war weit, die Straßen verliefen schnurgrade und überkreuz, von jeder Straße aus sah man schon das Ende des Ortes, warum wollte ich diesem Schnarrkasten noch etwas entlocken, ein Kastenwort, das sich immer so anhören würde, als sei es eine Antwort, die in keinem Wissen, keiner Erinnerung, keiner Herzensregung zu Hause war, sondern mit einem Knopfdruck abgerufen wurde, eine Automatenantwort, die nur ein Bedürfnis stillen konnte, nämlich die Begierde nach dem Schauer im Angesicht der völligen Abgeschnittenheit vom eigenen Wort.
Die Frau sagte nichts. Sie schüttelte den Kopf, zeigte mit einer Scherenhand auf ihre Kehle, dann wandte sie sich wieder dem Busch zu und stieß die Hände, die jetzt wie zum Gebet gefaltet aussahen, in das sperrige Gezweig.
DER FISCH
Es gibt Rinnsale, Tümpel, Brunnen und Pfützen hier, keine Flüsse, von einem Strom ganz zu schweigen. Und doch lag eines Sommermorgens ein Fisch mitten auf der Hauptstraße. Es war ein großer Fisch, wie aus einem großen ernsten Gewässer, er war lang wie ein Männerarm, schwer und glänzend, als sei er eben erst aus dem Wasser gezogen worden, das Maul stand ihm offen, und manche wollten ihn sogar noch nach Luft schnappen gesehen haben. Von solchen Fischen hatte man höchstens in Geschichten gehört, und rasch bildete sich eine Gruppe von Neugierigen um das Tier. Er war rosig, mit braungrauen ungleichförmigen Tupfen übersät, der Bauch weiß, doch an einzelnen Stellen zeichneten sich blasse bräunlichrote Flecken ab. In Farbe und Gestalt sah man ihm auf dem stumpfgrauen staubigen Boden unserer Gegend die unglaubliche Fremde an. Das Maul stand offen, ein scharfer Stachelzahn unter der Maulspitze ragte nach innen in die dunkelrote Höhlung. Eine Flosse mit borstigen Fransen hing ihm schlaff von der Seite, und am unteren Ende seines Rückens ragte eine kleine Flosse steif in die Luft. Der Schwanz sah aus, als bestünde er aus hart und glasig gewordenen Federn und sollte ein Flügel sein, und vielleicht war es auch so, vielleicht war es der Schwanz, der dem Fisch in diese Gegend verholfen hatte, wo kein Gewässer einen solchen Fisch hätte beherbergen können. Ungeachtet der Behauptungen vom luftschnappenden Maul ließ sich an dem Fisch im beginnenden Sirren und Knistern dieses heißen Sommertages nur Reglosigkeit feststellen. In seiner ganzen Reglosigkeit aber wirkte er nicht tot, was daran liegen mochte, dass man hier noch nie einen solchen Fisch lebend gesehen hatte.
Langsam wurde die Haut des Fisches erst glasig, dann stumpf, das schräge Auge,
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