Banatsko (German Edition)
das uns zugewendet war, überzog sich mit Trübe, das Maul klaffte nicht mehr, sondern schien mit beiden Kiemen zur Seite zu kippen. Die Füße der Neugierigen hatten viel Staub aufgewirbelt, der nun einen dünnen Film auf dem Fisch bildete. Kleine Steinchen klebten an seinem Bauch. Die Sonne schien sehr heiß, und alle suchten den Schatten auf, um den Fisch aus der Entfernung und mäßiger Kühle zu beobachten. Blickte man aus dem Schatten hinaus auf den Fisch in der Sonne, wirkte er wie eine Aufwerfung des Bodens, von hellerer, wärmerer Farbe, eine Staubverwehung, die sich mit etwas vermischt hatte.
In der blendenden Helligkeit schien die Gestalt des Fisches auf der Straße zu flirren und sogar an Umfang zuzunehmen. Das war allerdings keine Spiegelung der heißen Luft, sondern die Bewegung unzähliger Fliegen, die sich auf dem Fisch eingefunden hatten und am Nachmittag, als die Sonne tiefer stand und man sich wieder um den Fisch versammelte, in einer großen schwärzlichen Wolke aufstiegen. Der Fisch hatte sich sehr verändert. Sein Körper war uneben geworden, an einigen Stellen wölbte er sich auf, an anderen war er eingesunken, und die nur noch schwach erkennbaren Tupfen schienen sich unter den neugierigen Blicken aufzulösen. Diese sich langsam vollziehende Auflösung war das Werk unzähliger Maden, die von dem Fisch Besitz ergriffen hatten.
Es war ein sehr schöner Abend. Vögel sangen hoch am Himmel, der sich erst rosigviolett, dann grünblau verfärbte, als die Sonne sank. Wie so oft an Sommerabenden kam lindernder Wind auf. In der Ferne bellten Hunde. Frauen lachten in den Gärten, ein Kind sang. Im langsam und sehr sanft schwindenden Licht des Tages wurde auch das hektische Wimmeln der sichtbar fetter werdenden Maden zu einer einzigen weichen, leisen, wogenden Bewegung, in der sich der nicht mehr nur leblose sondern inzwischen seinem ganzen Fischsein entwachsene Körper zu heben und zu senken schien, und mit jedem Heben und Senken verwischten sich die Grenzen mehr zwischen einstigem Fisch und Maden, Schwinden und Wachsen, dem Fremden, das es so unversehens und unerfindlich in diese Gegend verschlagen hatte, und dem vertrauten Staub und Gestein der Straße. Als es schließlich ganz Nacht geworden war, ließ sich nur noch ein ungefährer Klumpen ausmachen, etwas Beliebiges, Verlorenes, Verlassenes, Gleichgültiges, etwas, das unter Schritten oder Rädern zerfallen, beiseiterollen oder ein Hindernis bilden konnte, etwas, das keinen Namen mehr hatte und in der unbeschreiblichen Weite irgendwie aufgehoben war.
Fliegen, Würmer und Ameisen trugen den Fisch am folgenden Tag bis auf sein glasiges Gerippe ab, das noch einige Zeit dort lag, bleichte und mit der Zeit auch zerfiel. Am längsten hielt sich das Schwanzgefieder. Kaum glaubte man es zermalmt oder verschwunden, tauchte es an irgendeiner anderen Stelle am Wegrand wieder auf. So führte es ein kleines Leben, ganz für sich, fischlos, in der trockenen Fremde, ein allein durch seine gänzliche Unzugehörigkeit bestimmter Abenteurer, der erst mit den anhaltenden Herbstregen davongeschwemmt wurde.
JIMBOLIA
Im Zug nach Jimbolia saß ich in einem Abteil mit zerkratzten Scheiben. Weißliche Krakel und Zickzacklinien reisten über die Landschaft. Unleserlich breiteten sie sich über alles dort draußen. Bäume verfingen sich, Vögel verschwanden darin, sogar die Störche, die über sumpfiges Gelände flogen, die großen leeren Felder waren Tafeln für die Krakelsprache an meinem Fenster.
Ein Mann und eine Frau stiegen ein und setzten sich zu mir ins Abteil. Sie schenkten dem Fenster keine Beachtung und erwiderten auch nicht meinen Gruß. Sie saßen einander gegenüber, eine sehr dicke Frau mit säuberlich gelegten Locken, einem blauen Pullover und einer Hose mit Bügelfalte. Sie war so dick, dass der unruhige Zug ihren ganzen Körper in stetem Wogen hielt. Auf dem Schoß hielt sie eine karierte Stofftasche mit Kunstlederhenkeln. In solchen Einkaufstaschen ließen die kitteltragenden Hausfrauen meiner Kindheit Konservendosen, Kekspackungen, Würste und Scheuerpulver verschwinden.
Der Mann saß der Frau gegenüber. Er war älter als sie und schmächtig. Er war ganz in braun gekleidet, die Knie seiner Hose waren ausgebeult, und seine Kniebeulen stießen an die scharfen Kanten ihrer Bügelfalte. Die beiden waren sich zärtlich zugetan und streichelten einander die Hosenbeine. Bald zog die Frau ein Butterbrot aus der Tasche, das in gelbliches Papier eingewickelt
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