Band 2 - Blutspiel
sondern stand neben einem Mann, der wie eine ältere Version von Trent Kalamack aussah.
Wie gebannt hielt ich die Luft an. Die beiden Männer blinzelten in die Sonne und lächelten. Sie wirkten entspannt und glücklich und hatten sich freundschaftlich den Arm um die Schultern gelegt.
Ich wechselte einen erschrockenen Blick mit Jenks.
»Mum?«, brachte ich schließlich hervor. »Wer ist das hier, der neben Dad?«
Sie kam rüber und war völ ig überrascht. »Oh, ich hatte ganz vergessen, dass ich das Foto noch habe. Diesem Mann gehörte das Ferienlager, dein Dad und er waren eng befreundet. Es hat deinem Vater das Herz gebrochen, als er starb, und auch noch so tragisch, noch nicht einmal sechs Jahre, nachdem seine Frau gestorben war. Ich glaube, das war einer der Gründe, warum dein Vater seinen Kampfgeist verloren hat. Er kam nur eine Woche später ums Leben.«
»Das wusste ich nicht«, flüsterte ich, ohne die Augen von dem Bild zu lösen. Dieser Mann war nicht Trent, aber die Ähnlichkeit war fast schon unheimlich. Es musste sein Vater sein. Dad hatte Trents Vater gekannt?
Plötzlich wurde mir ganz schlecht. Ich war mit einer seltenen Blutkrankheit in das Ferienlager gekommen, und jedes Jahr ging es mir ein bisschen besser, wenn ich zurückkam. Trent beschäftigte sich mit Genforschung.
Viel eicht hatte sein Vater dasselbe getan. Meine Genesung war immer als ein Wunder bezeichnet worden. Aber viel eicht war es il egale, unmoralische Genmanipulation gewesen.
»Oh, mein Gott.«
Drei Sommer im Camp. Monate, in denen ich bis Sonnenuntergang geschlafen hatte. Unerklärliche Schmerzen an der Hüfte. Alpträume von wabernden Dämpfen, die mich heute noch aus dem Schlaf rissen.
Wie viel? Wie hoch war der Preis gewesen, den Trents Vater von meinem Dad verlangt hatte für das Leben seiner Tochter? Hatte er sein eigenes dafür gegeben?
»Geht es dir gut, Rachel?«, fragte Nick besorgt.
»Nein.« Ich konzentrierte mich auf meine Atmung und starrte fassungslos auf das Bild. »Kann ich das auch haben, Mum?« Meine Stimme klang fremd in meinen Ohren.
»Sicher, ich wol te es eigentlich gar nicht«, antwortete sie und löste es mit zitternden Fingern aus dem Album. »Darum hatte ich es auch unter das andere geschoben. Aber du weißt ja, dass ich von deinem Vater nichts wegwerfen kann.«
»Danke«, flüsterte ich.
15
Ich zog einen Fuß aus dem pinken Plüschpantoffel und kratzte mich mit dem großen Zeh an der Wade. Es war schon nach Mitternacht, aber die Küche war so hel erleuchtet, dass die Kupfertöpfe und Zauberutensilien an einem Drahtgestel das Licht in fluoreszierenden Strahlen reflektierten. Ich stand an der Metal arbeitsplatte, drückte den Stößel in den Mörser und zerquetschte die Wilden Geranien zu einem grünlichen Brei. Jenks hatte sie auf einem unbebauten Grundstück in der Nähe gefunden und gegen einen seiner kostbaren Pilze eingetauscht. Der Pixieclan, der das Grundstück bewirtschaftete, hatte dabei sicher das bessere Geschäft gemacht, aber Jenks bemitleidete sie einfach.
Nick hatte uns vor einer halben Stunde Sandwiches gemacht, die Lasagne stand fürs Erste wieder im Kühlschrank und kühlte ab. Mein Sandwich hatte nach gar nichts geschmeckt, und das lag nicht nur daran, dass Nick - obwohl ich ihn darum gebeten hatte - keinen Ketchup draufge-schmiert hatte. Stattdessen hatte er behauptet, im Kühlschrank sei keiner mehr. Die Menschen hatten wirklich eine Macke. Das wäre viel eicht sogar unterhaltsam, wenn es einem nicht so auf den Keks gehen würde.
Ivy war noch nicht aufgetaucht, und ich würde die Lasagne sicherlich nicht al eine verdrücken, solange Nick da war. Ich wol te mit ihr reden, aber ich würde wohl warten müssen, bis sie dazu bereit war. Sie war das verschlossenste Wesen, das ich je getroffen hatte. Ivy konnte sich ihre Gefühle nicht einmal selbst eingestehen, solange sie keinen logischen Grund für sie gefunden hatte.
Neben mir auf dem Tresen stand mein zweitgrößter Zauberkessel, in dem Bob der Fisch seine Runden drehte. Ich würde ihn zu meinem Schutzgeist machen. Ich brauchte ein Tier, und Fische waren schließlich Tiere. An ein Kätzchen brauchte ich nicht einmal zu denken, weil Jenks dann ausflippen würde, und Ivys Eulen waren inzwischen zu ihrer Schwester umgezogen, nachdem eine von ihnen fast Jenks'
jüngste Tochter gefressen hatte. Jezebel ging es gut, und das arme Tier würde irgendwann sicher auch wieder fliegen können. Und sich nie wieder mit einem Pixie
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