Band 2 - Blutspiel
nicht nur auf vier Beinen ein ausdauernder Läufer war.
Sein Blick glitt von mir zum Park hinüber, dann lehnte er sich an den Baum, unter dem er stand und zog sich den abgewetzten Ledermantel zurecht. Ich zögerte, als mir einfiel, woher ich ihn kannte - ich hatte ihn in der Universität gesehen -, aber er wich meinem Blick aus und schob sich den Hut tief in die Stirn. Er wol te etwas von mir, wusste aber offensichtlich, dass ich beschäftigt war, und würde warten.
Einzelgänger verhielten sich so, und auch seine selbstbewusste, reservierte Ausstrahlung deutete darauf hin, dass er einer war. Wahrscheinlich hatte er einen Auftrag für mich, wol te aber nicht einfach vor meiner Tür auftauchen, sondern eine günstige Gelegenheit abwarten, wenn ich Zeit für ihn hätte. So etwas war schon öfter vorgekommen.
Tiermenschen neigten dazu, einen für mysteriös und spirituel zu halten, wenn man auf heiligem Boden lebte.
Ich respektierte seine professionel e Einstel ung, also wandte ich mich ab, schlenderte den Gehweg entlang und genoss die Mittagssonne auf meinen Schultern. Ich mochte den Eden Park, besonders diesen wenig genutzten Teil davon. Das Kunstmuseum, in dem Nick arbeitete, war nur wenige Blocks entfernt, die Straße runter und manchmal nahmen wir unser Mittag- beziehungsweise Abendessen mit hierher, machten ein Picknick und genossen die schöne Aussicht über Cincinnati. Mein Lieblingsplatz lag al erdings an einer anderen Ecke, da man von dort aus in die entgegengesetzte Richtung sehen konnte, über den Fluss hinweg bis zu den Hol ows.
Mein Dad hatte mich immer hierhin mitgenommen, fast jeden Samstag. Wir hatten Donuts gegessen und mit den Krümeln die Enten gefüttert. Meine Stimmung verdüsterte sich, als ich mich an dieses eine Mal erinnerte, als er mich nach einer der wenigen Streitereien mit meiner Mutter hierhergebracht hatte. Es war Nacht gewesen, und wir hatten die glitzernden Lichter der Hol ows betrachtet, die sich im Fluss spiegelten. Während sich die Welt um uns herum weiterdrehte, war es, als stünde für uns die Zeit stil , als weigere sich der Moment zu vergehen und dem nächsten Platz zu machen. Seufzend wickelte ich mich in meine kurze Lederjacke und konzentrierte mich darauf, wohin ich trat.
Ich hatte gestern noch eine der Kekstüten per Eilkurier zu Trent geschickt, versehen mit einer Karte, auf der einfach nur stand: »Ich weiß es.« Sowohl die Kekse selbst als auch die Verpackung strotzten nur so vor verklärten Klischees sowohl über Elfen als auch über Magie an sich. Kitschiges Zeug eben, das selbst in den aufgeklärten Zeiten nach dem Wandel nie ganz aus der Mode gekommen war. Prompt war ich am Morgen durch das Klingeln des Telefons geweckt worden. Als sich der Anrufbeantworter einschaltete, verstummte es. Und klingelte dann wieder und wieder und wieder.
Acht Uhr morgens ist für Hexen eine wahrhaft unchristliche Zeit - ich hatte nur vier Stunden geschlafen -, aber Jenks konnte den Hörer nicht abnehmen, und Ivy aufzuwecken war gar keine gute Idee. Langer Rede kurzer Sinn, Trent lud mich auf eine Tasse Tee in seinen Garten ein.
Als ob ich so dämlich wäre. Ich erklärte Jonathan, dass ich Kalamack um vier an der Twin Lakes Bridge im Eden Park treffen würde, also direkt nach seinem Nickerchen.
Twin Lakes Bridge war der hochtrabende Name für einen kleinen Betonbogen, der den Vorteil hatte, dass ich den Trol kannte, der darunter hauste und ich mir ziemlich sicher war, dass ich mich im Zweifelsfal auf ihn verlassen konnte.
Außerdem würde das Geräusch der künstlichen Stromschnel en jeden Lauschzauber wirkungslos machen. An diesem Sonntag fand noch dazu ein Footbal spiel statt, weshalb der Park so gut wie ausgestorben sein würde - also ausreichend Diskretion bot für ein ungestörtes Gespräch, aber noch genug Zeugen, um Trent nicht auf dumme Gedanken kommen zu lassen, wie etwa, mich einfach umzubringen.
Als ich vom Gehweg hochsah, entdeckte ich mitten im Halteverbot Glenns zivilen Dienstwagen. Wahrscheinlich war er dazu abgestel t worden, Trent im Auge zu behalten. Sehr schön. Das ersparte mir die unangenehme Aufgabe, irgendeine von Edden eingesetzte Wache außer Gefecht zu ttzen, damit Trent und ich nicht gestört würden.
Ich hatte darauf geachtet, bis auf meinen Ring keinerlei Zauber bei mir zu haben, ebenso wenig eine hinderliche Tasche. So hatte ich nur meinen Busfahrschein und meinen kaum genutzten Führerschein eingesteckt. Auf diese Weise konnte ich schnel er
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