Band 2 - Blutspiel
Vamp.
Ich konnte al erdings nicht sagen, ob er schon untot war.
»Hi, Piscary«, begrüßte Ivy den Mann und setzte sich wieder. Jenks und ich sahen uns ungläubig an. Das sol te Piscary sein? Einer der mächtigsten Vampire Cincinnatis? Ich hatte noch nie einen so harmlos wirkenden Vampir gesehen.
Piscary war einige Zentimeter kleiner als ich, schlank und gut gebaut. Die zarte Nase, die weit auseinanderstehenden, mandelförmigen Augen und die schmalen Lippen verstärkten sein exotisches Erscheinungsbild. Seine dunklen Augen strahlten, als er seine Kochmütze absetzte und in den Schürzengürtel steckte. Die honigfarbene Haut seines kahl rasierten Schädels glänzte im Licht. Das unscheinbare Hemd und die Hose, die er trug, hätten von der Stange sein können, was ich al erdings stark bezweifelte. Sie verliehen ihm die Ausstrahlung eines wohlsituierten Mittelklassemanns, ein Eindruck, der durch sein beflissenes Lächeln noch verstärkt wurde. Piscary beherrschte einen Großteil der Unterwelt Cincinnatis, aber wenn ich ihn mir so ansah, fragte ich mich, wie er das hinkriegte.
Mein gesundes Misstrauen gegenüber untoten Vamps verschwand und ließ nur eine gedämpfte Vorsicht zurück.
»Piscary? Wie in >Piscarys«
Der Vampir lächelte und zeigte dabei seine Zähne, die länger waren als Ivys - er gehörte also zu den wahren Untoten - und im Kontrast zu seinem dunklen Teint strahlend weiß leuchteten. »Ja, Piscarys gehört mir.« Für einen so kleinen, schmalen Mann hatte er eine erstaunlich tiefe Stimme, in der die Macht der Elemente zu erklingen schien.
Ich fragte mich, wie lange Piscary wohl schon Englisch sprach, da er einen kaum noch hörbaren Akzent hatte.
Ivy räusperte sich und lenkte meine Aufmerksamkeit von den schwarzen, temperamentvol en Augen ab.
Merkwürdigerweise hatte der Anblick seiner Zähne nicht mein Bedürfnis geweckt, mein Knie in angemessene Körperregionen zu rammen, wie es sonst bei Vamps der Fal war. »Piscary«, erklärte Ivy nun, »das sind Rachel Morgan und Jenks, meine Geschäftspartner.«
Jenks war mittlerweile auf die Pfefferstreuer geflitzt und beobachtete von dort aus das Geschehen. Piscary begrüßte ihn kurz, bevor er sich mir zuwandte. »Ich habe schon lange darauf gewartet, dass mein kleines Mädchen uns einander vorstel t. Ich glaube, sie hatte Angst, dass ich ihr verbieten würde, weiter mit Ihnen zu spielen.« Sein Lächeln wurde noch wärmer. »Ich bin entzückt, Ihre Bekanntschaft zu machen.«
Ich hielt den Atem an, als er meine Hand nahm und die Finger an die Lippen führte, in einem Handkuss, dessen Eleganz in krassem Gegensatz zu seiner bescheidenen Aufmachung stand. Mein Herz schlug schnel er und schnel er, aber es schien sich nicht mehr in meiner Brust zu befinden. Er atmete den Duft meiner Hand ein, als könnte er das pulsierende Blut unter der Haut riechen. Ich unterdrückte einen Schauer, indem ich mir fest auf die Zähne biss.
Piscarys Augen hatten die Farbe von schwarzem Eis.
Unerschrocken erwiderte ich seinen Blick, fasziniert von der Ungewissheit, die in diesen Abgründen lauerte. Schließlich wandte er sich ab, und ich zog schnel meine Hand zurück. Er war gut. Teuflisch gut. Er hatte seine Aura dazu benutzt, mir zu schmeicheln, anstatt mich einzuschüchtern. Nur wirklich alte Vampire waren dazu in der Lage. Und die Dämonennarbe hatte sich überhaupt nicht gerührt. Ich war mir nicht sicher, ob das nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war.
Mit einem gut gelaunten Lachen über mein plötzliches und offensichtliches Misstrauen setzte sich Piscary neben Ivy auf die Bank, während drei Kel ner sich hastig darum bemühten, so schnel wie möglich die runden Holzuntersetzer zu platzieren. Glenn nahm es locker, dass Ivy ihn nicht vorgestel t hatte, und selbst Jenks hielt ausnahmsweise mal die Klappe. Als Piscary Platz genommen hatte, saßen wir so eng zusammengerückt, dass meine Schulter sich in Glenns Arm bohrte und ich nur noch zur Hälfte auf der Bank hing.
»Warum habt ihr nicht Bescheid gesagt, dass ihr kommt?«, fragte Piscary vorwurfsvol . »Ich hätte euch doch einen Tisch reserviert.«
Ivy zuckte mit den Schultern. »Wir haben ja einen bekommen.«
Piscary drehte sich inzwischen zur Bar um und rief: »Holt eine Flasche Roten aus dem Tamwoodkel er!« Er lächelte süffisant. »Eine wird deine Mutter entbehren können.«
Glenn und ich tauschten besorgte Blicke. Eine Flasche Roten?
»Äh, Ivy?«, fragte ich vorsichtig.
»Du meine Güte! Es
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