Band 2 - Blutspiel
wil st, Rachel. Ich kann mich nur danach richten, was du sagst und was ich beobachte. Mit ihr lebst du, mit mir schläfst du. Was, bitte schön, sol ich davon halten?«
Ich antwortete nicht, und er sprach mit sanfter Stimme weiter. »An dem, was Ivy wil , ist nicht Falsches oder Außergewöhnliches. Es ist einfach eine Tatsache, auch wenn es beängstigend ist. In vierzig Jahren oder so wird sie einen zuverlässigen Nachkommen brauchen, und sie mag dich. Mal ganz ehrlich - es ist ein verlockendes Angebot. Aber du sol test dich langsam mal entscheiden, was du wil st, bevor die Zeit und die Vampirpheromone das für dich übernehmen.« Als er fortfuhr, war seine Stimme stockend, als koste es ihn Überwindung, es auszusprechen. »Bei Ivy wärst du kein seelenloses Spielzeug. Und du wärst in Sicherheit, unantastbar für so ziemlich jeden Schrecken in Cincinnati.«
Gedankenverloren starrte ich vor mich hin. Ich musste an al die kleinen, scheinbar zusammenhangslosen Reibereien zwischen Ivy und Nick denken und sah sie nun in einem ganz neuen Licht. »Sie hat mich also die ganze Zeit über gejagt«, flüsterte ich, und fühlte nackte Angst in mir aufsteigen.
Die Spannungsfalten um Nicks Augen vertieften sich.
»Nein. Sie ist nicht nur hinter deinem Blut her, auch wenn das dazugehört. Aber ich muss ehrlich sein. Ihr ergänzt euch besser als jede Vampir-Nachkomme-Konstel ation, die ich je gesehen habe.« In seinen Augen flackerte etwas auf, das ich nicht deuten konnte. »Es ist eine Chance auf wahre Größe -
wenn du bereit bist, deine Träume aufzugeben und dich ganz an sie zu binden. Du wärst zwar immer die Nummer zwei, aber die Nummer zwei unter einem Vampir, der dazu ausersehen ist, über Cincinnati zu herrschen.«
Die Hand, mit der er mir übers Haar streichelte, stockte.
»Wenn ich einen Fehler gemacht habe«, sagte er vorsichtig,
»und du ihr Nachkomme werden wil st, dann sol es so sein.
Ich fahre dich und deine Zahnbürste nach Hause und verschwinde, damit ihr beenden könnt, was ich unterbrochen habe.« Seine Hand nahm die Bewegung wieder auf. »Ich hätte nichts zu bereuen, außer der Tatsache, dass ich nicht gut genug war, um dich von ihr loszueisen.«
Ich ließ den Blick über Nicks zusammengewürfelte Möbel schweifen, und der Verkehrslärm von draußen drang an mein Bewusstsein. Es war hier so ganz anders als in Ivys Kirche mit ihren hohen, weiten Räumen. Ich hatte immer nur ihre Freundin sein wol en. Die Freundin, die sie so dringend brauchte in ihrem Selbsthass, bei ihrem ständigen Versuch, etwas Besseres zu sein, etwas Reines, etwas Unberührtes und Unbeflecktes. Sie versuchte mit al er Kraft ihrem Dasein als Vampir zu entkommen, und ich wusste, dass sie im Stil en die Hoffnung hegte, ich könnte eines Tages einen Zauber finden, der ihr dabei helfen würde. Ich konnte sie nicht einfach verlassen und damit das Einzige zerstören, das sie aufrecht hielt. Viel eicht war ich ein Idiot, aber ich bewunderte ihren unbezähmbaren Wil en und ihren unerschütterlichen Glauben daran, dass sie es irgendwann schaffen würde.
Trotz der latenten Bedrohung, die sie für mich darstel te, ihres zwanghaften Organisationswahns und der manischen Ordnungsliebe war sie die erste Mitbewohnerin, die sich nicht über meine kleinen Schwächen aufregte, wie etwa, dass ich den Heißwasserboiler leer laufen ließ oder vergaß, die Heizung abzustel en, bevor ich die Fenster öffnete. Ich hatte wegen solcher Banalitäten schon viele Freunde verloren. Ich wol te einfach nicht mehr al ein sein. Das Beängstigende an Nicks Theorie war, dass er recht hatte. Ivy und ich passten tatsächlich gut zusammen.
Und jetzt hatte ich einen weiteren Grund zur Angst. Bis Ivy es mir erklärt hatte, war mir nicht bewusst gewesen, wie gefährlich diese Narbe für mich war. Sie erklärte mich zum Freiwild, machte mich zum Lustobjekt der Vampire, die mich weiterreichen würden, bis ich darum bettelte, gebissen zu werden. Die Erinnerung an die Wel en der Euphorie und daran, wie schwer es mir gefal en war, nein zu sagen, machte mir klar, wie leicht Ivys Prophezeiung Wirklichkeit werden konnte. Obwohl sie mich nicht gebissen hatte, wusste inzwischen wahrscheinlich jeder, dass ich vergeben war und dass sie besser die Finger von mir lassen sol ten.
Verflucht. Wie bin ich hier nur reingeraten?
»Sol ich dich zurückbringen?«, flüsterte Nick.
Ich lehnte mich an ihn. Es wäre sicher das Klügste gewesen, ihn darum bitten, noch in dieser Nacht mein
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