Band 2 - Blutspiel
in dem Moment das Bewusstsein, als er meine Hand berührte.
13
Wärme und der Geruch von kaltem Kaffee. Starbucks, zwei Stück Zucker, keine Milch. Ich öffnete die Augen und sah nichts als einen Wust roter Haare. Mein Arm schmerzte, und ich zog ihn zur Seite. Es war ruhig. Nur das leise Dröhnen des Verkehrs und das vertraute Summen von Nicks Wecker durchdrangen die Stil e. Ich war nicht überrascht, mich in seinem Schlafzimmer wiederzufinden, sicher auf meiner Seite des Betts, von der aus ich das Fenster und die Tür sehen konnte. Ich hatte mich noch nie so über den Anblick von Nicks schäbigem Kleiderschrank mit dem fehlenden Türknauf gefreut.
Durch die Vorhänge fiel ein fahler Lichtstrahl in den Raum.
Es musste kurz vor Sonnenuntergang sein. Ich schaute auf die Uhr: Siebzehn Uhr fünfunddreißig. Der Wecker ging nie falsch.
Nick war ein Technikfreak. Immer um Mitternacht empfing der Wecker zum Abgleich ein Signal von der Atomuhr in Colorado, genauso wie seine Armbanduhr. Wie jemandem Pünktlichkeit so wichtig sein konnte, war mir schleierhaft. Ich trug noch nicht mal eine Uhr.
Ich lag unter der selbst gemachten blaugoldenen Wol decke von Nicks Mutter; sie roch leicht nach Farnseife.
Auf dem Nachtschränkchen lag ein Schmerzamulett, gleich daneben ein Fingerstick. Nick hatte an al es gedacht. Wenn er dazu in der Lage gewesen wäre, hätte er es auch aktiviert.
Ich setzte mich auf, um mich nach ihm umzusehen. Der Kaffeeduft verriet mir, dass er in der Nähe sein musste. Also wickelte ich mich in die Decke und stand auf. Meine Muskeln protestierten schmerzhaft gegen die Belastung, und ich griff nach dem Amulett. Jetzt meldeten sich auch die Rippen und der Rücken. Schnel stach ich mir in den Finger und ließ drei Tropfen Blut auf das Holz fal en. Schon bevor ich mir die Kordel umhängte, spürte ich die Erleichterung. Es waren nur Muskelschmerzen, Prel ungen und Schürfwunden, nichts, was nicht heilen würde.
Ich sah mich in dem verdunkelten Zimmer um und entdeckte eine leere Kaffeetasse und daneben auf einem Stuhl einen Kleiderhaufen. Er bewegte sich leicht. Langsam erkannte ich, dass es der schlafende Nick war. Er hatte die langen Beine ausgestreckt, und seine bestrumpften Füße
-Schuhe waren auf dem Teppich verboten - entlockten mir ein Lächeln.
Ich setzte mich wieder, genoss den Moment der Ruhe und betrachtete meinen schlafenden Freund. Da er sechs Stunden früher als ich den Tag begann, war sein Kinn um diese Uhrzeit bereits wieder stoppelig. Sein Kopf war im Schlaf auf die Brust gesunken, und das dunkle Haar fiel ihm ins Gesicht. Offenbar spürte er instinktiv, dass ich ihn beobachtete, denn er öffnete die Augen. Mein Lächeln vertiefte sich, während ich zusah, wir er sich mit einem leisen Seufzen streckte.
»Hi, Ray-Ray«, begrüßte er mich zärtlich. »Wie geht es dir jetzt?«
»Ich bin okay.« Es war mir peinlich, dass er mitgekriegt hatte, was passiert war, peinlich, dass er mich retten musste, aber gleichzeitig war ich überglücklich, dass er da gewesen war.
Nick stand auf und setzte sich neben mich, und als ich näher heranrutschte, legte er den Arm um mich und drückte mich an sich. Ich lehnte den Kopf an seine Schulter und atmete tief seinen unverwechselbaren Duft: alte Bücher und Schwefel. Al ein seine Anwesenheit gab mir schon Kraft.
»Bist du sicher, dass es dir gut geht?«, fragte er und fuhr mir liebevol mit der Hand durchs Haar.
Ich rückte ein Stück von ihm ab und sah ihn an. »Ja, danke der Nachfrage. Wo ist Ivy?«
Das folgende Schweigen machte mir Angst. »Sie hat dich doch nicht verletzt, oder?«
Seine Hand glitt aus meinem Haar. »Sie liegt wohl immer noch da, wo ich sie zurückgelassen habe.«
»Nick!« Fassungslos rückte ich weiter von ihm weg. »Wie konntest du sie einfach so da liegen lassen?«
Ich stand auf und suchte automatisch nach meiner Handtasche, bis mir klar wurde, dass er sie nicht mitgebracht hatte. Und ich war immer noch barfuß. »Bring mich nach Hause«, befahl ich, da ich wusste, dass der Bus mich nicht mitnehmen würde.
Nick war ebenfal s aufgestanden und starrte mich alarmiert an, bevor er den Blick senkte. »
Scheiße«, fluchte er tonlos. »Es tut mir leid. Ich dachte, du hättest sie abgewiesen.« Er wich meinem Blick aus, wirkte enttäuscht, verletzt und verlegen. »Scheiße, Scheiße, Scheiße«, murmelte er. »Es tut mir wirklich leid. Ja, komm, ich bringe dich nach Hause. Viel eicht ist sie ja noch nicht aufgewacht. Es tut mir so
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