Band 6 - Blutnacht
Selbst jetzt, im Angesicht meines Todes, versuchten die verdammten Vampirpheromone, mir etwas vorzulügen. »Ich kann nicht aufhören.«
Ihre Stimme war fast wieder ihr eigene, und sie flehte um Hilfe. »Du bist kein Monster.« Vorsichtig legte ich meine Hand auf ihre Schulter, fal s sich eine Chance ergeben sol te, sie von mir zu stoßen. »Piscary hat dich missbraucht, aber du wirst besser. Ivy, wir haben es geschafft. Al es, was du tun musst, ist mich loszulassen.«
»Ich bin nicht besser.« Ihre Stimme triefte vor Selbsthass.
»Es ist genau wie beim letzten Mal.«
»Ist es nicht«, protestierte ich und fühlte, wie mein Puls sich etwas beruhigte. »Ich bin bei Bewusstsein. Du hast nicht genug genommen, um mich zu verletzen. Du hast aufgehört.
Lass. Einfach. Los.«
Ich hielt den Atem an, als sie meinen Kopf nach hinten zog, um mir ins Gesicht zu sehen. Ich konnte in den schwarzen Tiefen ihrer Pupil en mein Spiegelbild sehen, mit zerzausten Haaren und Tränenspuren im Gesicht. Ich hatte nicht einmal bemerkt, dass ich geweint hatte. Der Anblick meiner Spiegelung in ihren Augen löste eine Erinnerung aus . . Ich hatte mich schon einmal in den schwarzen Augen eines anderen gesehen, als ich hilflos war und Angst um mein Leben hatte. Ich hatte das schon einmal durchlebt.
Und plötzlich waren es nicht Ivys lilienweiße Finger, die meine Schulter hielten, sondern die Erinnerung an die eines anderen. Angst hob sich aus meiner Vergangenheit und erfül te mich. Die Erinnerung wurde zu meiner Realität.
Kisten. .
Ein Bild, das mich zeigte, wie ich an die Wand von Kistens Boot gepresst wurde, hob sich aus meinem Unterbewusstsein und verwob sich mit dem Gefühl meines Rückens am Kühlschrank. Mit Übelkeit erregender Schnel igkeit überzog sich meine Realität mit einer Schicht aus Angst und Hilflosigkeit. Eine Erinnerung, von der ich nicht gewusst hatte, dass es sie gab, verwandelte Ivys Augen in die eines anderen. Ihre Finger in meinen Haaren wurden mir fremd. In meinen Gedanken wurde ihr Körper an meinem überzogen von dem fremden Geruch eines wütenden untoten Vampirs, der mich besitzen wol te.
»Nein!«, schrie ich. Ivys Berührung hatte Erinnerungen an die Oberfläche geholt, von denen ich nichts gewusst hatte.
Angst setzte mich unter Spannung und ich stieß sie weg. Ein Stoß Kraftlinienergie hob sich, um sie zu treffen, und ich riss ihn zurück und wand mich vor Schmerzen, als die Macht in meinem Körper tobte und brannte, bis ich sie schließlich zurück in die Linie zwang und losließ.
Mein Handgelenk hat wehgetan. Ein Vampir hat mich verletzt. Er hat mich gegen die Wand gepresst. Jemand hat mich gegen die Wand gepresst und. .Oh Gott. Jemand hat mich gebissen.
Gott helfe mir, was hätte ich fast getan?
Keuchend zwang ich den Kopf nach oben und sah, wie Ivy langsam an den Schränken am anderen Ende der Küche zu Boden rutschte. Ihre Augen waren unfokussiert und sie wirkte irgendwie weggetreten.
Ich presste mich gegen den Kühlschrank, hielt mir den Oberarm und hilflose Tränen flossen über meine Wangen.
Ivy kämpfte sich unsicher auf die Füße. »Rachel?«, flüsterte sie. Sie hielt die Hand ausgestreckt, als wäre ihr schwindelig.
»Jemand hat mich gebissen«, gurgelte ich, und die Tränen flössen wie aus dem Nichts. »An der Lippe. Hat versucht. .«
Qual überzog mich wie Teer und ich sank zu Boden.
»Kisten war tot«, schluchzte ich und zog die Knie ans Kinn.
Wie konnte ich das vergessen? »Er war. . Er war tot! Der Vampir, der ihn umgebracht hat. .« Ich schaute auf und hatte mehr Angst als jemals zuvor in meinem Leben. »Ivy. . Sein Mörder hat mich gebissen. . damit ich nicht kämpfen konnte.«
Ivys Gesicht war völ ig leer. Ich starrte sie an und umklammerte mit einer Hand meinen Oberarm so fest, dass er pochte. Gott helfe mir. Ich war gebunden. Ich war an Kistens Mörder gebunden und hatte es nicht einmal gewusst. Was hatte ich noch vergessen? Was wartete noch in meinen Gedanken darauf, mich zu zerstören?
Ivy bewegte sich und Panik überschwemmte mich. »Bleib da!«, sagte ich mit rasendem Herzen. »Fass mich nicht an!«
Sie erstarrte, als meine Realität mit den Lügen kämpfte, die ich mir selbst präsentiert hatte. Ich ließ meine Zunge über meine Lippe gleiten und die Furcht verstärkte sich noch, als ich die winzige, fast nicht spürbare Narbe fand. Ich bin gebunden. Jemand hat mich gebunden. Übelkeit stieg in mir auf und ich fühlte mich, als müsste ich mich
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