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Banditenliebe

Banditenliebe

Titel: Banditenliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massimo Carlotto
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organisatorisch absolut nicht zuverlässig.
    »Aber die aus Marseille sind es?«
    »Die haben noch nie danebengehauen. Die wissen, was sie tun.«
    »Ich dachte, du hast diesen Luc im Knast kennengelernt.«
    »Nein, das war sein Onkel.«

Grenoble, Donnerstag, 21. Dezember 2006
    Ich betrachtete die Isère von der Hochstraße herab. Das dunkle Wasser floss langsam. Ich stand mit dem Rücken zu den Bergen. Vor mir, auf der anderen Seite des Flusses, lag das alte italienische Viertel mit den Schildern der Restaurants und Pizzerien; es erinnerte an verlassene Orte, an denen man mit leerem Portemonnaie und leerem Magen steht.
    Max saß mir gegenüber, den Blick auf die Gipfel gerichtet. Beniamino sprach leise mit Luc und Christine. Die Rettungsmannschaft war komplett. Im Kreise saßen wir versammelt in einer der kleinen Kabinen, Kugeln aus Stahl und Plexiglas, in denen die Touristen hinauf zum Fort de la Bastille transportiert werden, von wo aus man das gesamte Tal überblickt.
    Abends zuvor waren wir aus Italien angekommen, nachdem wir uns sorgfältig versichert hatten, nicht verfolgt zu werden. Endziel Chambéry, rund fünfzig Kilometer von Grenoble entfernt. Dort hatten die beiden aus Marseille eine Wohnung in einem alten Haus im Zentrum gemietet. Die Eigentümerin war die Witwe eines Räubers, sie führte das augenscheinlich anständige Leben einer Bäckerei-Angestellten, rundete ihr Salär aber gern damit auf, dass sie an alte Freunde ihres Mannes vermietete. Zwei Zimmer, Küche, Bad.
    Luc hatte uns um Punkt acht mit Kaffee und Croissants geweckt. Als ich die Augen aufmachte, sah ich mich einem schmächtigen Typen mit einem Schnurrbart von entschieden altmodischem Schnitt gegenüber, den er mit Sicherheit vor jedem Coup abrasierte. Sein Gesicht war von tiefen Falten durchzogen, obgleich er die vierzig erst kürzlich erreicht hatte. Lederjacke, Jeans, Halbstiefel.
    Ich hatte ihm die Hand gegeben, aber da ich kein Wort Französisch sprach, hatte ich es Max und Beniamino überlassen, das Gespräch am Laufen zu halten. Kurz darauf war Christine erschienen, in einer XL -Baumwolljacke, die sie als Nachthemd getragen hatte. Fünfunddreißig, kurzes Haar, markante, aber angenehme Gesichtszüge. Nicht größer als eins sechzig, schmal, kleine, aber dank intensiven Sportstudiobesuchs feste Brüste. Schwarze, entschlossene Augen.
    Als sie Rossini gesehen hatte, war sie ihm um den Hals gefallen und hatte seine kahle Stirn mit Küssen bedeckt. Dann hatte sie etwas über Sylvie gesagt, und Stille hatte sich über uns gesenkt. Sie nahm zwei filterlose Zigaretten, steckte sie sich zwischen die Lippen, zündete sie an und gab eine Beniamino. Das war Freundschaft und Respekt, nicht nur eine geschäftliche Verbindung. Er hatte sich an die beiden gewandt, weil sie einerseits Profis und in der Lage waren, das Problem zu lösen, und andererseits hatten sie ein Herz und Prinzipien.
    Wir waren ihrem Wagen über eine stark befahrene Provinzstraße gefolgt. Die Berge um die Stadt waren von Schnee nur besprenkelt. Wieder ein zu warmes Jahr. Die Touristen, die in den Weihnachtsferien Ski fahren wollten, müssten sich mit Kunstschnee begnügen.
    An diesem Morgen hatte die Sonne sich noch nicht gezeigt, und auf dem Gipfel des Mont Rachais, wo das Fort lag, wehte ein eiskalter Wind. Wir gingen in die Bar, um etwas Heißes zu trinken. Dann taten wir so, als wären wir Touristen, und besichtigten das Museum und den restlichen Komplex. Erst am Ende stiegen wir aufs Dach der zentralen Befestigung, genannt Belvédère Vauban, von dem aus man das Panorama bewundern konnte. Luc gab uns ein kräftiges Fernglas und plauderte eine Weile über die Gipfel zur Rechten; er erzählte Anekdoten aus der Résistance, für die Ohren der anderen Besucher bestimmt. Dann sprach er über die Stadt. Dann und wann flüsterte Max mir eine kurze Übersetzung zu.
    Endlich gingen wir nach links hinüber. Ein anderes Fort, ein anderer Gipfel, beide desselben Namens: Saint-Eynard. An den Hängen des Berges war das Dorf Corenc zu sehen, kaum mehr als viertausend Seelen, verteilt auf mehrere Ortsteile. Ein diskretes Städtchen voll schöner Villen. In einer davon wurde Sylvie gefangen gehalten. Durch das Fernglas sah ich ein großes, vor dem Krieg gebautes Haus, doch waren wir zu fern, um weitere Einzelheiten zu erkennen.
    »Tagsüber kann man euch nicht hinbringen«, erklärte Christine. »Ich bin dreimal zu verschiedenen Zeiten vorbeigegangen, es stand jedes Mal jemand am

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