Banditenliebe
seiner Laufbahn. Gretas Worte hatten mir die Beine weggeschlagen. Auf dem Foto war Sylvie ebenso nackt wie die beiden Männer, die bei ihr waren.
»Das bekommt Beniamino nie zu sehen«, sagte ich wenige Minuten später zu Max.
»Er hat ein Recht darauf, es zu erfahren.«
»Höchstwahrscheinlich wird das das letzte Bild von Sylvie bleiben. Soll er sich so an sie erinnern?«
Der Dicke antwortete nicht, ich zerriss das Foto.
»Das war idiotisch, Marco«, warf er mir vor. Dann fügte er hinzu: »Aber ich bin froh, dass du es gemacht hast.«
»Einen Schnaps?«
»Nein danke. Ich bin zu traurig zum Trinken.«
»Denkst du, dass die Serben etwas herausfinden werden?«
»Ich hoffe es von ganzem Herzen. Es ist in ihrem eigenen Interesse. Sie brauchen Beniamino und sein Boot.«
Der alte Rossini meldete sich zur Hälfte des Vormittags und berichtete, dass die Bora haushohe Wellen auftürmte und er gezwungen war, in einer kleinen Bucht auf Wetterbesserung zu warten.
Das missfiel mir nicht. Ich brauchte Zeit, um mich zu fassen. Beniamino kannte mich zu gut, ich wollte nicht riskieren, dass er irgendeinen Verdacht schöpfte. Er würde darauf bestehen zu erfahren, was vorgefallen war, und am Ende würde ich es ihm sagen.
Dann klingelte wieder mein Handy. Es war Morena. Ich mochte nicht mit ihr reden und nahm nicht ab. Aber beim vierten Anruf gab ich auf.
»Was willst du?«
»Dich zum Aperitif einladen.«
»Letztes Mal warst du wirklich unfreundlich.«
»Muss ich mich etwa entschuldigen? Oder ist es dir recht, wenn ich dir sage, dass ich etwas weiß, das dich interessieren dürfte?«
»Über die alte Geschichte?«
»Genau.«
»Die interessiert mich nicht mehr.«
»Das glaube ich dir nicht.«
»Es ist aber so. Außerdem, du wolltest doch nichts mehr davon wissen?«
»Ich hatte einen Glückstreffer.«
»Schön für dich, auch wenn ich bezweifle, dass du Interessenten finden wirst.«
Das musste sie einstecken. Ich wollte gerade auflegen, da sagte sie: »Machen wir’s so. Ich erzähle dir, was ich weiß, und wenn etwas dabei ist, das dich interessiert, zückst du das Portemonnaie.«
»Ich bestimme, wie viel.«
»Ich vertraue deinem guten Herzen und deinem Anstand«, scherzte sie.
Die tüchtige Morena. Hatte sie mich ein weiteres Mal um den Finger gewickelt. Meine sämtlichen guten Vorsätze, sie nicht mehr zu sehen, waren beim ersten Anruf dahin.
Es regnete, der Verkehr war noch konfuser als sonst, und in Padua einen Parkplatz zu finden, war fast unmöglich geworden. Ich kam zu spät. Der Aperitif war schon durch, die Tischchen waren bereits für schnelle Mittagessen gedeckt. Tiefgekühlte Vorspeisen aus der Mikrowelle und fantasievolle »Salatteller«. Morena saß mit dem Rücken zur Tür. Als Stammgast hatte sie mit ihrem Spritz sitzen bleiben dürfen. Ich setzte mich ihr gegenüber und bemerkte sofort die allzu große Sonnenbrille. Sie nahm sie vorsichtig ab. Das Veilchen am linken Auge tendierte ins Gelb, es heilte also bereits ab. Ich überschlug rasch die Zeit.
»Das war der Typ, mit dem du dich in diesem legendären Wellnesshotel in der Toskana vergnügt hast, was?«
»Einer von seinen beiden Freunden. Und das Resort war ein beschissenes Ferienhaus, mehr nicht. Ich war die Einzige, die keinen Spaß hatte.«
»Schöne Scheiße.«
»Berufsrisiko«, sagte sie mit einem Sprung in der Stimme. »So sagt mein schöner Polizist.«
»Der keinen Finger deswegen rühren wird.«
»Er denkt gar nicht daran.«
Ich seufzte. »Soll ich dir was sagen?«
»Ich weiß schon: Die Zeit vergeht, und je älter ich werde, desto mehr werden die Männer mich ausnutzen.«
Mir kam Sylvie in den Sinn und das, was sie durchmachte. Die Lust, kluge Lebensratschläge zu erteilen, verging mir augenblicklich. Ich bestellte ein paar Tramezzini und ein Glas Roten und dachte, immerhin konnte Morena sich entscheiden.
»Ich wollte immer allein für mich sorgen, aber ich glaube, es ist Zeit, mich einer Agentur für Luxus-Escorts anzuschließen.« Dann seufzte sie. »Ich habe den Zug verpasst, als ich es nicht geschafft habe, ›den Richtigen‹ zu heiraten. Dann hätte ich jetzt meine Ruhe, wäre gut versorgt und angesehen.«
Ich wechselte das Thema. »Also, was sind die Neuigkeiten?«
»Es war eine Bande von Polizisten, die sich die Drogen unter den Nagel gerissen haben.«
»Unsinn.«
»Es stimmt aber. Sie arbeiten im Friaul und hatten einen Komplizen vor Ort. Mein Polizist ist einer von denen, die ihre Telefone
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