Bangkok Tattoo
was eingesteckt. Aus dem Schrank im Schlafzimmer.«
Ich gebe mich enttäuscht und konsterniert, als ich mich neben Mustafa stelle. »Mein Gott, Leute, wir haben gesehen, wie ihr’s eingesteckt habt.«
Die beiden wechseln einen Blick. Bright, der jüngere von beiden, sieht mich mit triumphierendem Ausdruck an: Clark Kent ist dabei, sich in Supermann zu verwandeln. Hudson scheint sich nicht so sicher zu sein. Ich glaube, er durchschaut mich, jedenfalls bis zu einem gewissen Grad.
»Ich habe Sie in gutem Glauben hierhergebracht«, sage ich. »Da können Sie nicht einfach was mitgehen lassen.«
»Nun«, beginnt Bright, wird aber durch eine Geste Hudsons zum Schweigen gebracht.
»Wir sind im Auftrag der Regierung hier«, sagt Hudson nüchtern. »Der US-Regierung.«
Bright sieht mich an: Reicht das?
»Und woher soll ich wissen, daß das stimmt?«
»Wissen können Sie das nicht«, meint Bright. »Das müssen Sie uns einfach glauben.«
»Ach. Nun, vielleicht sieht die Royal Thai Police das ein bißchen anders.« Ich hole meinen Dienstausweis aus der Tasche und zeige ihn ihnen. Brights Überraschung äußert sich typisch westlich: Er wird tiefrot, verzieht den Mund und schaut immer wieder Hudson an, der den Ausweis eingehend studiert. »Aus diesem Raum wird nichts entfernt.«
Hudson und Bright verständigen sich mit einem kurzen Blick, so daß ich nicht weiß, mit wem ich es jetzt zu tun habe, also verlege ich mich auf die Rolle des Bösen Thai. Mein urplötzlich zynischer Gesichtsausdruck besagt, daß die Rache der Dritten Welt hier beginnt: Natürlich könnt ihr bei uns einmarschieren, aber was dann? Ihr wollt doch sicher keine Woche in einem thailändischen Gefängnis verbringen, und schon gar kein ganzes Jahr, wie mir das vorschwebt. Die Angst vor dem Untergang zwingt Hudson zur Konzentration. Er stößt Bright in die Rippen, der daraufhin etwas aus seiner Tasche zieht und es mir reicht. ( Das holen wir uns wieder, sobald dir jemand die Hölle heiß gemacht hat, der unsere Position kennt.) Ich weiß immer noch nicht, was es ist. Es handelt sich um ein schmales Oval, etwa sieben Zentimeter lang, einen Zentimeter breit und weniger als einen tief. Das Ding ist in glattes graues Plastik gehüllt und trägt am einen Ende den Aufdruck »Sony Micro Vault«.
Die Atmosphäre ist angespannt, als ich die CIA-Leute aus der Wohnung geleite, Mustafa die Tür verschließt und den Schlüssel mit Besitzermiene in seiner Tasche verschwinden läßt. Sein Vater wird mit dieser Aktion alles andere als einverstanden sein, aber sie hat die beiden Agenten aus der Fassung gebracht. Draußen auf der Straße bereiten ihnen die Hitze und die islamische Kleidung weiteres Unbehagen. Sie entfernen sich, ohne sich von uns zu verabschieden.
15
Es ist Mittag. Mustafa und mir steht der Sinn nach unterschiedlichen Genüssen. Er geht in ein Moslem-Restaurant, ich wähle eine Thai-Garküche, die stadtbekannt ist wegen der Schärfe ihres grataa rawn, einer Auswahl von allem nur erdenklichen Meeresgetier. Ich hätte auch mit Mustafa Lamm essen können, wollte aber eine Weile allein sein. Während ich auf das grataa rawn warte, hole ich das Bild von Chanya aus der Tasche. Mir wäre der klare Fall lieber gewesen, von dem ich am Anfang ausgegangen war: ein irrationaler Gewaltausbruch einer überforderten Nutte. Doch leider erscheint mir die Sache mittlerweile unendlich komplex. Ich habe tatsächlich keine Ahnung, was los ist oder wo alles enden wird.
Ich bin ziemlich ernüchtert, als Mustafa in einem Pickup mit Vierradantrieb, drei junge Männer auf der Ladefläche, vor der Garküche vorfährt. Die Ausbuchtungen unter der Kleidung verraten mir, daß es sich um bewaffnete Wachleute handelt. Ich setze mich zu Mustafa und dem Fahrer nach vorne, während die Bewaffneten, die sich mit Tüchern vor den Gesichtern gegen den Staub schützen, hinten durchgeschüttelt werden.
Die Straße führt aus der Stadt hinaus in Richtung Nordosten und wird schon bald zu einem Feldweg mit tief eingegrabenen Furchen. Da der Wagen keine Klimaanlage hat, fahren wir mit offenen Fenstern. Hier unten ist es immer ein paar Grad heißer als in Bangkok; das klingt nicht weiter schlimm, aber wenn man ohnehin schon an der oberen Grenze dessen lebt, was der menschliche Körper ertragen kann, merkt man den Unterschied deutlich. Als wir des holprigen Weges wegen langsamer werden, komme ich mir vor wie in einem mobilen Ofen. Allerdings ist es sogar für thailändische Verhältnisse
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