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Bank, Zsuzsa

Bank, Zsuzsa

Titel: Bank, Zsuzsa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die hellen Tage
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rechts. Évi suchte die Zettel mit den
Bestellungen, sammelte sie vom Boden auf, nahm sie aus den Jackentaschen und
Schürzen, aus den wenigen Schubladen, von den Fensterrahmen, in denen sie
klemmten, von den Kabeln, wo sie mit Wäscheklammern festgesteckt waren, und
spießte sie auf die spitzen Haken, las laut vor, was darauf geschrieben war,
nahm sie ab und setzte sie in anderer Reihenfolge zurück. Wenn meine Mutter am
Abend hupte und winkte und neue Bestellungen brachte, fuhr sie mit den Fingern
über die Zettel, so wie sonst über die Linien der Landkarten, wenn sie sich
Wege ausdachte für Lastwagen und Schiffe, und bald fing Évi an, an dieser
Leiste Gefallen zu finden, auch wenn sie das Weiß ihrer schmalen Küchenwand
durchtrennte.
    Wenn Évis Ofen ausfiel, weil ihr
das Gas ausgegangen war und es dauerte, bis man ihr eine neue Flasche bringen
würde, trug sie den Teig zu uns und stand am Abend, ohne zuklopfen, ohne zu
rufen, vor unserer Tür, mit einem Blech, das sie auf Brusthöhe in den Händen
hielt und den ganzen Weg zu uns getragen hatte, ohne davon müde zu werden, ohne
darüber zu klagen, an den Feldrainen entlang, über die Brücke, über den großen
Platz und dann zwei, drei Straßen weiter. Meine Mutter schob das Blech in den
Backofen, und am nächsten Morgen fuhr sie den Kuchen mit dem Wagen aus,
während wir unsere Schultaschen packten und Évi zum Fotoladen ging, die Tür
aufschloss und das Glöckchen einhängte. Manchmal zog Évi aus der kleinen
schwarzen Box ein Negativ und entdeckte darauf ihren Kuchen, oder sie fand ein
Foto in einem der Umschläge, die am Morgen mit der gelben Kiste gekommen waren,
und konnte dann sehen, wie andere mit ihren Torten und Keksen Geburtstag oder
Kommunion gefeiert hatten. Wenn ein Kuchen, den sie gebacken hatte, in einem
fremden Haus von fremden Tellern gegessen worden war, schien es sie noch leichter
über die Wege hinaus zu den Feldern und ans schiefhängende Tor zu tragen, als
sei sie in Kirchblüt von Haus zu Haus gegangen, als habe sie die Türen selbst
geöffnet und jedes Wohnzimmer rund um den großen Platz betreten.
    Plötzlich hatte Évi Geld, es lag
in kleinen Scheinen zwischen Messern und Gabeln in der Schublade, es steckte
mit Resten von Tee in ihren Blechdosen. Jeden Monat legte sie etwas von dem
beiseite, was sie im Fotoladen an der Kasse bekam, was man ihr für den Kuchen
gab und was Zigi in fremder Währung in farbigen Kuverts schickte, und als sie
glaubte, es sei genug, ging sie zur Bank am großen Platz und zahlte es auf ein
Konto, zu dem sie ein ockerfarben schimmerndes Büchlein führte, in das sie zum
Jahresende die Zinsen eintragen ließ und in dem sie von Zeit zu Zeit nachsah,
wie viel es war, ob wirklich so viel wie in ihrer Erinnerung. Bald kaufte sie
ein Dampfbügeleisen, bügelte die Wäsche aber weiter auf dem Küchentisch, auf
einer Decke und einem Leinentuch, behielt die Stofftaschentücher, als alle
schon Taschentücher aus Papier hatten, auch die Art, sie auseinanderzufalten
und zusammenzulegen, wenn sie sich geschneuzt hatte, auch die behielt sie bei,
und die Abneigung gegen ein Telefon, auch später, als jeder in Kirchblüt ein
graues Telefon mit Wählscheibe hatte. Nur in den Süden, in die Berge fuhr sie
bald wie andere, deren Autos sie über Jahre nachgeschaut hatte, wenn sie am
ersten Ferientag unsere kleine Stadt auf der Straße nach Süden verlassen
hatten, sie kaufte im Reiseladen neben dem Schuhgeschäft Fahrscheine für den
Bus oder Zug und machte sich mit Aja auf, in den Sommern, in denen Aja ihren
Geburtstag mit Fremden feierte.
    Évi hatte sich weit entfernt von
dem, was sie früher einmal an Zigis Seite gewesen war. Sie besaß jetzt etwas,
das sie aufstehen ließ, mit dem sie ihre Rechnungen, ihre Einkäufe bezahlte,
auch wenn es sie noch lange nicht aufnahm in den Kreis, auf den sie am Morgen
sah, wenn sich jeder in Kirchblüt in einen Alltag aufmachte, an den Évi nur
glaubte, dichter herangerückt zu sein. Sie hatte sich weit entfernt von einer
Zeit, in der sie Pailletten an Zigis Kostüme genäht hatte, wenn sie sich bei
einem Sprung auf die Hände, bei einer Drehung durch die Luft gelöst hatten,
schwarze Perlen, die den breiten Kragen seines Hemds und seinen Gürtel
geschmückt hatten, den Bund und Saum seiner Hosen, und die Évi so angenäht
hatte, dass sie wie Pfeile auf Zigis Gelenke zeigten, auf seine schmalen Hände
und Füße, als sollten sie darauf hinweisen, was er alles mit ihnen anstellen
konnte.

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