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Bank, Zsuzsa

Bank, Zsuzsa

Titel: Bank, Zsuzsa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die hellen Tage
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einen Schlitz in ein
Kästchen fallen und zog dann leichter weiter. An einem solchen Morgen, an dem
sie unter den weit ausgebreiteten hölzernen Flügeln zweier Engel aufgewacht
waren, waren Zigis Schuhe verschwunden. Jemand musste in der Nacht das
Gummiband gelöst, sie von Zigis Füßen gestreift und mitgenommen haben. Unter
seiner Decke fand Zigi ein Paar Stiefel mit eingenähtem Futter, die er sofort
anzog und die seine Füße, die in den Nächten zuvor erst rot und dann blau
geworden waren, über den Winter retteten.
    Als der Frühling kam, hielt Évi
die ersten Knospen und rosafarbenen Blätter der Magnolien für eine Täuschung,
für eine Verwirrung ihrer Augen, die nur ihrer Sehnsucht einen Streich
spielten. Erst als Zigi sagte, es sei nun warm genug, sie könne die Decken am
Tag ruhig weglassen, sie brauche sie nicht länger um ihre Schultern und Ajas
Rücken zu legen, rollte sie die Decken zusammen und steckte sie in Zigis Koffer.
Évi wartete nicht, bis sich das Wasser in den Flüssen und Bächen erwärmt hatte,
am ersten heißen Tag vor Ostern zog sie die Kleider aus und sprang in einen
eisigen Fluss, an dessen Ufer sie am Abend ein Feuer angezündet hatten und
über Nacht geblieben waren. An einer Stelle, wo er flach und breit über Felsen
floss, lief sie über Kieselsteine, die unter ihren Schritten wegrutschten,
tauchte unter und wusch sich den Winter aus den wirren Haaren, während Zigi mit
Hut und ohne Hemd am Ufer saß und Aja so hielt, dass ihre Füße ans Wasser
reichten. Évi hatte ihre Jacke, ihre Strümpfe und Röcke an Zweigen
festgebunden, die sich zum Fluss neigten, ließ sich von Zigi ein Stück weißer
Seife geben und rieb es in ihre Kleider und Haare, damit sie den Geruch aus feuchten
Wintertagen loswürden und später schnell an der Sonne trockneten. Mit den
hellen warmen Stunden kehrte etwas zu Évi zurück, das sie verloren geglaubt
hatte, und sie fing langsam an zu begreifen, dass sie nicht länger frieren
würde und sich nicht mehr sorgen müsse um Aja, es könne ihr zu kalt, zu feucht
werden und sie würde krank werden davon.
    Vielleicht hätten sie früher mit
dem Wandern aufgehört, wenn Aja schneller gewachsen wäre, sagte Évi, aber sie
habe lange in eine Hälfte des aufgeklappten Koffers gepasst, und es habe
gedauert, bis sie hinausgeklettert sei und angefangen habe zu laufen. Wenn
Zigi gesagt habe, es gefalle ihm, auf diese Art das Land kennenzulernen,
aufzubrechen und weiterzuziehen, wenn ihm danach sei, zu bleiben, wann immer
ihn die Gesichter eines Ortes, ein Feldrain oder ein Flussufer dazu einluden,
hatte Évi sich vorgenommen, es auch zu mögen, es genauso zu mögen wie er. Sie
freute sich an den länger werdenden Tagen, daran, dass wieder mehr Menschen zu
den Plätzen kamen, wo sie schon am Vormittag das Seil aufspannten und wenig später
anfingen zu spielen und zu singen. Der Sommer machte es ihnen leicht, und trotz
der vielen Gewitter, vor denen sie sich versteckten, kam es Évi vor, als würde
sie beschenkt, mit jedem neuen Tag, an dem sie nicht frieren musste, als würde
sie belohnt dafür, den Winter unter freiem Himmel ausgehalten und trotz der
Kälte nicht aufgegeben zu haben. Am Morgen sprangen sie in Flüsse, um ihr Haar
und ihre Kleider zu waschen, an den Abenden lagen immer genug Münzen im Koffer,
und manchmal kauften sie davon etwas für Aja, eine Rassel oder ein Püppchen,
das Aja auf dem nächsten Platz schon aus der Hand fallen und liegen bleiben
würde. Sie schliefen, ohne in der Nacht noch aufgescheucht zu werden, sie aßen,
was Sträucher und Bäume hergaben, und sie setzten Aja in Erdbeerfelder und
achteten darauf, dass sie nicht zu viel Dreck in den Mund nahm.
    Trotzdem überfiel Évi bald der
Wunsch, an einem Ort zu bleiben. In den ersten Wochen im Herbst gelang es ihr,
ihn zu bändigen, sie hoffte darauf, er würde verschwinden und sie freigeben,
genauso wie er sie überfallen hatte, aber um die Weihnachtszeit sagte sie zu
Zigi, sie wolle niemandem mehr nachschauen, der in einem Hauseingang verschwinde,
sie wolle nicht mehr durch Fenster sehen müssen, hinter denen andere saßen und
nicht sie mit Zigi und Aja. Sie wolle auch nicht mehr draußen schlafen, auch
nicht in einem Zelt oder Zirkuswagen, sie wolle keinen Winter mehr im Freien
erleben, nachts im Wald nicht mehr in die Dunkelheit starren und auf die Stille
hören. Als die Glocken das neue Jahr einläuteten, nahmen Zigi und Évi im fallenden
Schnee Abschied von ihren Freunden, die lieber im

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