Bann der Ewigkeit: Roman (German Edition)
Mylady.«
Isadora blickte auf und bemühte sich, überzeugend zu lächeln, als Saphira das Tablett auf die Ottomane stellte.
»Ich habe Euch Euer Lieblingsgericht kochen lassen, Lammbraten mit Kartoffeln.«
Isadora, die im Wohnbereich ihres Gemachs saß, klappte das Buch auf ihrem Schoß zu und legte es neben sich auf die Couch. Draußen ging gerade die Sonne unter und tauchte die Berge in orangenes Licht. Nur mit äußerster Selbstbeherrschung gelang es Isadora, ein Zittern ihrer Hände zu unterdrücken. »Ich danke dir, Saphira. Mmm, das riecht köstlich, und ich bin am Verhungern«, log sie.
Ihre Zofe glaubte ihr offensichtlich nicht, denn sie neigte den Kopf zur Seite und beäugte Isadora prüfend. »Ihr seht kränklich aus. Vielleicht solltet Ihr Euch nach dem Essen gleich hinlegen.«
Ins Bett wollte Isadora gewiss nicht. Und sie würde ihre neue Frisur und die Kleidung nicht als »kränklich« bezeichnen.
Statt zu widersprechen, täuschte Isadora ein Gähnen vor, hielt sich eine Hand vor den Mund und sagte: »Du hast wohl recht. Meine Augen sind plötzlich sehr müde.«
Saphira wirkte skeptisch und sah Isadora weiter an. »Hmm.«
Unbeirrt nahm Isadora ihren Löffel auf, beugte sich über das Tablett und probierte einen Bissen. »Mmm, ja, köstlich!«
Sie hatte schon beinahe den halben Teller leergegessen, als Saphira seufzte: »Ich denke, ich sollte Euch jetzt in Ruhe Euer Abendessen beenden lassen.«
Endlich. Isadora lächelte.
»Möchtet Ihr, dass ich Euer Bett aufschlage?«
»Nein, danke. Ich werde nach dem Essen noch ein wenig lesen, bevor ich mich hinlege.«
Das leise Grummeln verriet Isadora, dass die Gynaíka nicht einverstanden war. »Ihr solltet Euch vor der Bindungszeremonie möglichst viel ausruhen. Der König wäre enttäuscht, wenn Ihr am feierlichen Tag nicht auf der Höhe seid.«
Bindungszeremonie, ja, richtig. Als könnte sie die vergessen!
»Gute Nacht, Saphira.«
»Gute Nacht, Mylady.«
Isadora wartete, bis die äußere Tür mit einem Klicken ins Schloss fiel, dann schlug sie das Buch, das sie vor Saphira versteckt hatte, wieder auf.
Die Horen. Drei Göttinnen, die über die natürliche Folge und Ordnung wachen. Sie bringen und gewähren Reife, kommen und gehen mit den Gesetzen der Periodizität von Natur und Leben. Im Wesentlichen entsprechen sie dem richtigen Moment.
Isadora strich über ihre neue schwarze Hose, wo sie die Markierung auf ihrer Schenkelinnenseite bedeckte. Sie musste nicht hinsehen, um zu wissen, dass sie da war. Das Bild hatte sich in ihr Gedächtnis eingebrannt. Das geflügelte Omegazeichen. Omega stand für das Ende. Alle anderen Argoleaner trugen eine Alpha-Markierung, doch Isadora und Casey waren anders. Sie waren die Auserwählten, deren Zeichnung das Ende von Atalantas unsterblicher Herrschaft prophezeite. Die Flügel indes hatten Isadora immer schon verwirrt. Wozu Flügel? Die waren sicher nicht grundlos da.
Hätte sie doch nur ihre Gabe wieder, in die Zukunft zu sehen. Ihre Halbschwester Casey konnte in die Vergangenheit blicken, während sie selbst früher Ausschnitte dessen sehen konnte, was kommen würde. Aus unerfindlichen Gründen hatte sie ihre Kräfte verloren. Andernfalls könnten sie ihr nun vielleicht erklären, was dies alles zu bedeuten hatte. Und warum sie sich so unruhig fühlte.
Stundenlang hatte sie über ihren Büchern gebrütet, denn auch wenn sie nicht wusste, wieso, brauchte sie die Antworten auf ihre Fragen unbedingt, bevor sie sich an Zander band. Ihr Gefühl sagte ihr, dass es nicht nur für ihre Zukunft entscheidend war, sondern auch für seine.
Mit einer Mischung aus Furcht und Vorahnung blickte sie wieder auf den Text. Es gab einen Menschen, der wusste, was das bedeutete, der die Leerstellen füllen konnte. Nur war er der letzte Ándras , in dessen Schuld sie stehen wollte.
Ehe sie es sich anders überlegen konnte, sprang sie auf und lief zu dem großen Wandschrank hinüber. Der Tarnumhang war ganz hinten versteckt, unter einem bodenlangen Cape, das sie bei offiziellen Anlässen trug. Sie zog den Umhang vom Bügel und betrachtete den leichten schwarzen Stoff.
Bitte mach, dass er noch wirkt.
Sie trat aus dem begehbaren Schrank, schlüpfte in die flachen schwarzen Schuhe, die Casey ihr gegeben hatte, und knöpfte sich den Umhang um. Nachdem sie einmal tief eingeatmet hatte, zog sie die Kapuze auf und lief zur Tür.
Draußen auf dem großen Korridor blieb sie stehen und lauschte auf die frühabendlichen Geräusche. In
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