Bann der Ewigkeit: Roman (German Edition)
Stirn, die Schläfen und den Nasenrücken zu reiben. Hatte er sich die Nase in den letzten Jahren irgendwann gebrochen? Diese leichte Verdickung im Knorpel an der einen Stelle musste relativ neu sein. Ihr Blick fiel auf die gezackte Narbe an seinem Hals, und sie entsann sich, wie sie mit den Fingern und der Zunge darüberstrich, als sie …
Gefährlich , warnte die leise Stimme in ihrem Kopf. Wenn du nicht aufhörst, ihn zu berühren, wirst du bald eine Grenze überschreiten.
Sie hielt inne. Sie war teils menschlich, oder nicht? Hatte sie da nicht ein wenig Lockerlassen verdient? Nach den letzten Stunden – Tagen vielmehr – verdiente sie allemal einige Minuten Entspannung. Ach was, nach den letzten zehn Jahren stand ihr ein ganzes Leben in Frieden zu. Warum konnte sie nicht entspannen und die Momente mit Zander genießen, frei von Feindseligkeit und Wut, die sie beide so lange beherrscht hatten. War es zu viel verlangt, ein paar Minuten zu wollen, in denen sie sich daran erinnerte, warum sie sich einst in ihn verliebt hatte?
Ja, ist es, denn das hier kann nur böse enden.
Ihr Ringen mit sich und ihren Schuldgefühlen führte dazu, dass sie diesen Moment festhalten wollte, ihn aus Gründen brauchte, die sie selbst nicht verstand.
Als hätte er die Stimme in ihrem Kopf gehört, öffnete Zander die Augen und beendete es. Callia erstarrte, denn er war vollkommen auf sie konzentriert, sein Blick klar und ernst. »Was?«, fragte sie unsicher.
»Warum bist du gekommen?«
»Ich …« Okay, ja, diese verdammten Selbstheilungskräfte der Superhelden. Er war wieder ganz da. »Weil Titus mich darum gebeten hat.«
»Du hättest ablehnen können.«
Richtig, und sie hatte es auch überlegt. Zwei Sekunden lang. Aber leider könnte sie ihn niemals im Stich lassen. »Ich habe einen Eid abgelegt, denen zu helfen, die in Not sind.«
»Sogar mir.«
Es war keine Frage, wie ihnen beiden klar war. Und plötzlich fiel ihr wieder ein, wie mühelos er sich von jenen in Not abwenden konnte. Damit war der friedliche Augenblick vorbei.
Sie nahm ihre Hand herunter und blickte auf die Narbe an seinem Hals, um ihm nicht in die Augen sehen zu müssen. Wassertropfen glitzerten auf seiner sonnengebräunten Haut, rannen über den erhabenen Wundrand.
»Sogar dir.«
In der Stille, die nun eintrat, war nichts zu hören außer seinem ruhigen Atem und dem Plätschern des Wassers.
»Wo bist du hin?«, fragte er schließlich. »Danach?«
Sie erschrak. Dass er fragte! Dass es ihn überhaupt kümmerte! War es nach all den Jahren denn noch von Bedeutung? Sie erwog, nicht zu antworten, doch dann dachte sie, warum nicht? »Ich habe Zeit gebraucht. Ich blieb, wo ich war, in Griechenland.«
Auf sein Nicken hin fragte sie sich unweigerlich, ob er gewusst hatte, wo sie gewesen war. »Ich hörte Gerüchte, dass du an einer menschlichen Hochschule Medizin studiert hast.«
Hatte er? Das war ihr neu. Aber wieso interessierte es ihn? Sie könnte fragen, wollte es, entschied sich jedoch dagegen. In seinem Zustand sollte er sich nicht aufregen, und falls er lediglich seine Neugier befriedigen wollte, würde sie ihm den Gefallen tun. »Ich habe an der Aristoteles-Universität in Thessaloniki studiert.«
Er hob eine Hand aus dem Wasser und rieb sich über das stoppelige Kinn. »Hattest du keine Angst, allein in der Menschenwelt? Argoleaner sind beliebte Angriffsziele für Dämonen.«
Schulterzuckend beobachtete sie einen Wassertropfen, der ihm die Wange hinab, über das kantige Kinn und zur Narbe lief. »Anfangs ein bisschen. Aber Thessaloniki ist eine große Stadt. Ich habe dafür gesorgt, dass ich nie ganz allein war. Dämonen riskieren ungern eine Szene im Beisein von Menschen.«
»Taten sie früher nicht«, sagte er leise. »Heute ist es anders.«
Ja, das war es. Seit Atalanta wieder sterblich war, scherte es die Dämonen nicht mehr, wer ihnen in die Quere kam. An jenem Tag hatte sie Glück gehabt.
Ihr Magen krampfte sich zusammen, und rasch verdrängte sie die Erinnerung. »Mein Vater war eine Zeit lang bei mir. Das machte es leichter.«
»Ah ja«, sagte er mit unverhohlener Abscheu. »Dein Vater. Wieso wundert mich das nicht?«
Nun sah sie doch in sein Gesicht, in dem die Verachtung für ihren Vater mehr als deutlich war. Was sie wiederum erstaunte, denn warum kümmerte es ihn überhaupt? Er hatte ihr einst vorgeworfen, sie würde sich von ihrem Vater ihr Leben diktieren lassen, obwohl sie sich in den wichtigsten Dingen gegen den Wunsch ihres
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