Bannstreiter
Geringste aus. Wenn sie einmal weißen Staub auf ihrer Kleidung entdeckten, klopften sie ihn einfach mit den Fingern aus. Niemand schien ernstlich zu fürchten, dass das Haus über ihnen zusammenbrechen könnte. Die Schankmaiden hatten alle Hände voll damit zu tun, die gewünschten Speisen und Getränke aufzutragen.
Auch ohne Tabeths geflüsterten Hinweis hätte Venea sofort gewusst, an welchem der vielen Tische Hadik weilte. Allein der weißblonde Schwertträger, der dem Magier gegenübersaß, verriet ihr den richtigen Platz. Es konnte ganz einfach kein Zufall sein, dass es Rorn in die gleiche Schenke wie sie verschlagen hatte.
Hadik fuhr wirklich schweres Geschütz auf! Erst ein herzloser Spinnenreiter, jetzt auch noch der Bannstreiter!
Venea spürte, wie alle Anspannung von ihr abfiel. Seit jener Nacht im Nebelbruch, als sie Rorn zum ersten Mal begegnet war, hatten sich die Wege der beiden wiederholt gekreuzt – und beim Schöpfer und Zehrer, sie waren nicht immer einer Meinung gewesen. Aber selbst wenn er im Sold des Magiers stand, so wusste er sicherlich nichts über den Anschlag, dem sie kurz zuvor entgangen war.
Rorn mochte schon vielen Menschen den Tod gebracht haben, gewollt oder ohne jede Absicht, doch Heimtücke dieser Art war ihm fremd, das wusste sie genau.
Ein Lächeln umspielte Veneas Lippen, als sich der Blick des Verfluchten mit dem ihren kreuzte. Rorns Augen dagegen nahmen einen harten Ausdruck an, und seine Brauen zogen sich über der Nasenwurzel zusammen.
Ich freue mich genauso, dich zu sehen , dachte die Hexe amüsiert.
»Dahinten, das ist Bree!« Tabeth war nur wenige Jahre jünger als sie, aber noch so aufgeregt wie ein kleines Kind, als sie Venea an der Hand fasste und mit sich zog.
Gemeinsam eilten sie auf eine junge Frau mit honigblondem Haar zu, dass diese nicht offen, sondern zu einem Pferdeschwanz gebunden trug. Unter ihrem Umhang zeichnete sich – im Gegensatz zu Tabeth und Venea – kein Gewand ab, nein, Brees Beine steckten in weichen Lederhosen, über denen sie kniehohe Stulpenstiefel trug. Ein geschnürtes Leinenhemd und eine Fellweste rundeten die robuste Erscheinung ab.
Das Mal der Schattenschwestern sah bei ihr trotzdem genauso aus wie bei allen anderen, wie sie mit einer unauffälligen Geste unter Beweis stellte.
»Ist etwas passiert, während ich weg war?« In Tabeths Gesicht zuckte es so aufgeregt, dass ihre Sommersprossen auf der Nase zu tanzen begannen.
»Und ob«, antwortete Bree. »Hadik muss gewusst haben, dass der Fette Fang unser Treffpunkt ist. Er spricht mit einem Kerl, der offensichtlich mit ihm verabredet war. Und mir scheint, er hat den Fremden nur hierher bestellt, damit er uns zu sehen bekommt.«
»Ein anderer Magier?«, fragte Tabeth aufgeregt.
»Nein, eher ein Söldner.« Bree besaß offensichtlich eine Schwäche für bezahlte Schwertkämpfer. Zumindest bekam ihre Stimme einen schwärmerischen Klang, als sie fortfuhr: »Aber was für einer! Seht ihn euch doch an! Groß, schlank, weißblondes Haar! Sicherlich weiß er eine Frau zu verführen.«
»Glaubst du wirklich?«, fragte Tabeth zweifelnd. Sie schien einen ganz anderen Männerschlag zu bevorzugen.
Bree spitzte die Lippen. »Also ich würde ihn nicht verschmähen.«
»Versprich dir lieber nicht zu viel von diesem Krieger«, versuchte Venea die Gefühlswallungen der Schattenschwester zu dämpfen. »Er gibt sich gerne unnahbar.«
»Woher willst du das denn wissen?« Brees Stirn legte sich in Falten, bis sie begriff. »Ach? Du bist ihm offenbar schon recht nahegekommen!«
Venea setzte ein viel sagendes Lächeln auf, bereute aber insgeheim, sich die Anspielung nicht verkniffen zu haben. Auf Verschwiegenheit war bei Bree sicher nicht zu hoffen. Deshalb wehrte Venea alle weiteren Fragen ab.
»Nun, vielleicht zu nahe«, stichelte die Blonde, als sie einen von Rorns finsteren Blicken bemerkte. »Wie oft seid ihr euch denn schon begegnet?«
Venea zuckte mit den Schultern. »Öfter, als uns beiden lieb ist, fürchte ich.«
6. Zum Fetten Fang
Rorn lehnte wortlos ab, als ihm die Schankmaid eine Schale mit eingelegten Heringen entgegenhielt. Von einer Kaschemme, die sich Zum Fetten Fang nannte, hatte er eigentlich mehr erwartet als kalten Fisch. Die beiden grobschlächtigen Kerle, die einen Tisch entfernt saßen und Hadik keinen Moment aus den Augen ließen, machten sich dagegen sofort über die angebotene Speise her. Eine aufgerollte Fischhälfte nach der anderen verschwand zwischen ihren
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