Bannstreiter
über den Boden hinweg, bis sie an die unbefleckte Stelle unterhalb der Arkade gelangten. Erst jetzt fiel Eonis auf, dass eine unsichtbare Barriere existierte, vor der sich das Blut der Leu und Zyklopen staute. Eine Art Bannkreis, der selbst feinsten Staub am Absinken hinderte.
Der Wölbung musste wirklich eine besondere Kraft innewohnen, ansonsten hätte Perac sich nicht direkt unter ihren Scheitelpunkt gestellt, die Arme seitlich ausgebreitet und ein wohliges Seufzen ausgestoßen. Hatra, die erneut über die Schattenjade wachte, holte die matt schimmernde Kugel aus einer ledernen Umhängetasche hervor und legte sie zu Füßen des Großmeisters ab, bevor sie ihm von Angesicht zu Angesicht gegenübertrat.
Täuschte es nur, oder erzeugte die bloße Berührung von Jade und Granitboden kleine Funken, die zischend zur Seite stoben? Die Reaktion war kaum zu erkennen und noch viel schlechter zu hören, weil plötzlich eine laute Stimme von den Wänden widerhallte.
»Was für ein Ort der Macht!«, rief Perac voller Verzückung. »Ich spüre die Kräfte, die ihn durchströmen, mit jeder einzelnen Faser meines Körpers!«
Seine Augen waren fest geschlossen, während er den Kopf in einer Art Ekstase von einer Seite zur anderen rollte. Aus diesem Grunde bemerkte er nicht, wie die Magierin und die müden Kämpfer auf sein Verhalten reagierten.
Hatra wirkte ein wenig verlegen, als sie flüchtig in die Runde schaute.
Es gab keinen Greif im Turm, der nicht wenigstens eine leichte Verletzung davongetragen hatte. Einige hockten oder lagen sogar am Boden und mussten versorgt werden. Wunden wurden geleckt, gebogene Dornen klammerten die zerfetzten Ränder tiefer Schnitte zusammen, während Perac, der völlig unversehrt war, vor Triumph beinahe zu bersten drohte.
Nicht nur Eonis umklammerte seinen Axtstiel so fest, dass das harte Holz zu knacken begann. So allwissend der Großmeister auch in Sachen Magie sein mochte, für die vorherrschende Stimmung fehlte es ihm an Weisheit – und vielleicht auch am nötigen Mitgefühl.
»Komm!«, rief der Magier seiner Gefährtin mit drängender Stimme zu. »Wir dürfen keine Zeit verlieren.«
Leises Murren erhob sich und verstummte unter des Königs herrischer Geste sofort wieder. Noch war Perac zu wichtig, als dass sie ihre Abneigung offen zeigen durften.
Der Großmeister und seine Hexe kreuzten ihre Arme vor dem Oberkörper, sodass ihre Fingerspitzen flach an den Schultern anlagen. Zunächst verstand niemand, was sie mit dieser Geste bezweckten, aber dann baute sich eine körperlich spürbare Spannung auf. Leises Knistern erfüllte den Raum, gleichzeitig flackerten weiß umrandete Elmsfeuer auf. Die mit einem hellblauen Kern versehenen Flammen huschten über den Steinbogen hinweg.
Dem Großmeister entfuhr ein leises Stöhnen, dem nichts Verzücktes mehr anhaftete, sondern nur noch purer Schmerz. Hatra blieb stumm, aber ihr schlanker Leib begann sich zu winden wie der einer Schlange. Was für einen Zauber die beiden auch immer webten, er strengte sie mehr an, als auf den ersten Blick zu erkennen war.
Kimue trat von hinten an den König heran und versuchte seine Wunden zu lecken. Eonis schüttelte seine Favoritin unwillig ab. Sollte ruhig das Blut in seinem Fell verklumpen, dann sahen seine Untertanen wenigstens auf Anhieb, dass er an der Spitze ihrer Elite gefochten hatte.
Ja, der Tod der Zehn, er durfte nicht umsonst gewesen sein, sondern musste das Volk der Leu auf die Opfer vorbereiten, die der Krieg gegen die Zyklopen noch fordern würde. Mochten Eonis und seine Getreuen auch in diesem Turm gesiegt haben, es würden weitere Schlachten folgen. Doch in Zukunft waren die Riesen gewarnt, darum quälte Eonis ein Gedanke: Wie würde es ausgehen, wenn ihnen beim nächsten Mal nicht drei, sondern dreihundert dieser geflügelten Riesen gegenüberstanden?
Den Angriff auf die uneinnehmbar geglaubten Türme und die Demaskierung ihrer entstellten Gesichter – all das würden die Zyklopen nicht unbeantwortet lassen. Ohne Peracs Magie waren die Leu verloren, wenn der Gegner zum Sammeln blies, daran bestand für Eonis nicht der geringste Zweifel.
Ein lautes Prasseln wischte seine dunklen Gedanken schlagartig zur Seite.
Aus dem steinernen Monument züngelten mehr und mehr blauweiße Flammen hervor. Obwohl sie keinerlei Hitze verbreiteten, brachten sie die Luft unterhalb der Wölbung zum flirren. Die eben noch scharf umrissenen Gestalten von Perac und Hatra verschwammen wie in starkem
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