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Bannstreiter

Bannstreiter

Titel: Bannstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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im Rücken heran. Es dauerte ungewöhnlich lange, bis die Gryff sie endlich erspähten. Schrille Laute, die weniger nach einem freudigem Willkommen denn nach Alarmrufen klangen, zerrissen die Stille. Wie zur Antwort drangen Dutzende weiterer Gestalten aus dem Horst hervor, der von außen so aussah, als hätten die Erbauer einfach hunderte von rechteckigen Säulen und Steinblöcken übereinandergeworfen.
    Das chaotisch wirkende Geflecht aus Winkeln und Vorsprüngen verfügte über den unbestreitbaren Vorteil, dass es viele Deckungsmöglichkeiten bot, egal, ob der Feind aus der Luft oder vom Boden her anrückte. Obwohl der Horst so porös wie ein Schwamm wirkte, war er doch massiv gebaut. Mannshohe Löcher reihten sich in regelmäßigen Abständen aneinander, nur das steil abfallende untere Drittel wies keine einzige Öffnung auf. Ein mit Wasser gefüllter Graben und ein dicker Streifen Dornengestrüpp vervollständigten die Schutzvorkehrungen.
    Fußtruppen konnten eine Feste dieser Größe nur unter hohen Verlusten erobern. Den Leu war es aber schon gelungen, kleinere Kolonien dieser Art zu erstürmen. Deshalb wussten sie, dass das Innere der Gryff-Bauten aus einer einzigen großen Halle bestand. Die Schlupflöcher im Felsgewirr dienten vor allem dem Lichteinfall.
    Leu waren ebenfalls gesellige Wesen, die in großen Verbänden lebten. Doch so dicht beieinander hätten sie sich eingepfercht gefühlt. Aber auch die Gryff waren dafür bekannt, dass sie ihre Horste hauptsächlich als Rückzugsorte betrachteten und ansonsten gerne auf Bäumen, hohen Felsen und anderen schwer zugänglichen Orten lebten. Auch wenn ihre Flügel sie nicht mehr über weite Strecken trugen, halfen sie ihnen doch dabei, große Höhenunterschiede zu bewältigen, die für andere unüberwindlich blieben.
    Von einem nahen Wald, in dessen Kronen sich unzählige Rundhütten abzeichneten, erhoben sich weitere Schwärme, die dem steinernen Horst zustrebten. Hunderte von wehrhaften Kriegern bevölkerten die unregelmäßig verlaufenden Terrassen und sahen der Ankunft der Greifen mit Spannung entgegen. Ob nun Männer oder Weiber unter den langen Ledermänteln steckten, konnte Eonis nicht erkennen. Die Geschlechter dieser Eier legenden Brut ähnelten einander in Größe und Gesichtsform. Nur ihr Gefieder war unterschiedlich gefärbt, aber mit solchen Feinheiten waren andere Völker wenig vertraut.
    Eonis fiel auf, dass nirgendwo Kinder zu sehen waren. Das gab ihm zu denken. Vielleicht war es nur die Furcht um die eigenen Nachkommen, die die Trutzadler zu dieser Maßnahme veranlasst hatte. Vielleicht besaßen sie aber doch noch genügend Intelligenz, um das Auftauchen der Greifen mit dem Verschwinden ihrer Unterhändler in Verbindung zu bringen. Zumal sie wissen mussten, dass König Eonis noch bis vor wenigen Tagen ein ganz normaler Leu gewesen war.
    Lediglich ein Dutzend Lichtschächte, die sich gegen Regen abdichten ließen, durchbrachen das leicht eingesunkene Dach des Fürstenhorstes. Innerhalb der Vertiefung gab es einen freien Platz, der den Gästen vorbehalten war. Je näher die Greifen ihrem Ziel kamen, desto enger rückten sie zusammen. Eonis ließ die linke Schwinge sinken und führte die Formation in eine kurze Kehre, bevor sie, unter den am Himmel kreisenden Gryff hindurch, zur Landung ansetzten.
    Von Perac war weit und breit nichts zu sehen, obwohl er dieses Treffen ausgehandelt hatte. Seine Abwesenheit war kein gutes Omen. Eonis wusste zwar, dass der Großmeister ebenso auf die Leu angewiesen war, wie sie auf ihn, doch Schlangen neigten von Natur aus zu Betrug und Hinterlist, davon war er überzeugt. Trotzdem konnte Perac es sich nicht leisten, sie zu hintergehen. Noch nicht, jedenfalls. Aber irgendwann würde ihr Zweckbündnis brüchig werden, daran zweifelte der König nicht. Aus diesem Grunde galt es, stets wachsam zu sein und im entscheidenden Augenblick als Erster zuzuschlagen. Zunächst galt es aber, die Gryff auf ihre Linie einzuschwören.
    Wer bei den Geschnäbelten das Sagen hatte, war schnell offensichtlich, als sich eine kräftige Gestalt aus der über ihnen schwebenden Traube löste und im Sturzflug zum Horst herabschoss. Erst im letzten Moment riss er den Oberkörper zurück und kam mit den Stiefeln voran auf dem harten Felsgrund auf. Der auf beiden Seiten bis zu den Schulterblättern geschlitzte Mantel flatterte wie eine Fahne im Sturm, doch kaum hatte der Gryff die Flügel angelegt, fiel der wattierte Schutz in sich zusammen und

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