Banyon, Constance - HG 032 - Bittersüße Jahre der Sehnsucht
nichts so sehr am Herzen, als diesen Murdock vor den Gewehren eines Hinrichtungskommandos stehen zu sehen. Das ist meine Antwort auf seine Botschaft.“
Damit führte er sein Pferd am Zügel in die Mitte des Lagers und schaute sich angewidert um. Die Männer, die zu fliehen versucht hatten, waren inzwischen von den Soldaten zurückgeholt und hier mit den anderen Banditen zusammengetrieben worden. Laut schallte sein Befehl über den Platz.
„Brennt alle Hütten nieder, legt die Gefangenen in Ketten. Wenn wir auch heute Vincent Murdock noch nicht gefaßt haben, so ist uns doch ein entscheidender Schlag gegen ihn gelungen. Von nun an dürfte es ihm sehr schwerfallen, Spießgesellen um sich zu scharen, die ihn bei seinen üblen Machenschaften unterstützen.“
„Was soll mit den Weibern und Kindern geschehen, Euer Gnaden?“ fragte der Corporal und stand stramm.
„Laßt sie laufen“, entschied der Duke und schwang sich in den Sattel. „Sollen sie Murdock die Neuigkeit bringen, daß dies sein letzter Streich gegen die englische Krone gewesen ist.“
Die Stimme drang noch in die Tiefen des Sumpflandes, dorthin, wo Murdock sich hinter den dicken Stamm des Baumes duckte. Mit blankem Haß in den dunklen Augen schwor Vincent Murdock dem jungen Duke Rache.
Das Gesicht verzerrt, mit geballten Fäusten murmelte der Bandenführer vor sich hin: „Das sollst du mir büßen, Engländer. Ich werde dich dort treffen, wo es dir am meisten weh tut. Und ich finde dich, darauf kannst du dich verlassen.“ Doch war der Haß, den Murdock für den englischen Offizier empfand, nichts im Vergleich mit dem, der Colonel Damon Routhland galt. In ihm sah der Schurke Murdock seinen eigentlichen Feind, der ihn übertöpelt hatte.
Seit der Nacht, in der Damon Routhlands Messer den Arm des Banditen getroffen hatte, hing dieses Glied reglos und nutzlos nieder. Vermutlich würde Murdock niemals mehr den Arm gebrauchen können. Diesen Zoll hatte der Verbrecher für die Unmenschlichkeit leisten müssen. Diesen Preis hatte er für die Flucht des Engländers mit Routhlands Hilfe bezahlt.
„Bevor ich mit dir fertig bin, verdammter Engländer“, stieß Murdock zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, „und mit dem hochwohlgeborenen Mr. Routhland von Swanhouse Plantation, werdet ihr beide noch den Tag verfluchen, an dem ihr aus dem Leib eurer Mutter gekrochen seid. Verlaßt euch darauf, so wahr ich Vincent Murdock heiße.“
12. KAPITEL
Ein Blick aus den bernsteinfarbenen Augen Damon Routhlands traf Royal Bradford. Sofort legte sie ihm die Hand leicht auf den Arm.
„Sie haben uns allen ziemlich viel Sorgen gemacht, Damon.“
„Müde“, murmelte er und schloß die Lider wieder. „Allein sein, schlafen, muß schlafen.“
Royal sah, wie er von neuem das Bewußtsein verlor. Diesmal war es keine Ohnmacht, sondern Mattigkeit, die durch den tiefen Schlummer alle Wunden des Körpers und vielleicht auch des Geistes heilen würde. Die Strahlen der Morgensonne fielen warm durch das Fenster und über das Bett, auf dem Damon Routhland ausgestreckt lag. Royal hatte die ganze Nacht neben ihm gewacht und gehofft, durch ein unablässiges Gebet zu erreichen, daß Gott sich erbarmen und sein Leben schonen möge.
Jetzt stand sie auf und streckte sich, um die verkrampften Muskeln zu lockern. Bald würde Alba kommen und sie ablösen. Sie beugte sich über das Bett und ergriff Damon Routhlands Hände. Die Erinnerung stieg auf an jene Nacht, in der er sie so zärtlich berührt hatte. Wie konnte ein so überwältigend stattlicher Mann auf einmal so still und kraftlos sein, als wäre kein Leben mehr in ihm?
Der Tag war jetzt schon heiß. Royal strich sich eine Locke aus dem Gesicht, griff nach dem feuchten Tuch und wischte Damon damit Stirn und Hals ab, um ihm ein wenig Kühlung zu verschaffen. Mehr konnte sie nicht für ihn tun. So ging sie zum Fenster und schaute hinunter auf die Straße.
In der Nacht hatte es geregnet, und das Pflaster glänzte jetzt noch davon in der Sonne. Draußen schien die Welt völlig in Ordnung, und überhaupt nichts schien ungewöhnlich zu sein. Selbst der englische Soldat, der mit der Pünktlichkeit einer Uhr immer wieder an dem Haus vorüberritt, gehörte zum alltäglich wiederkehrenden Bild. Wie konnte das Leben nur ungestört weitergehen, wenn Damon hier auf seinem Schmerzenslager um jeden Atemzug kämpfte, den er tat?
Royal trat in das Zimmer zurück, befeuchtete das Tuch und legte es von neuem auf Damons Stirn. Immer
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