Banyon, Constance - HG 032 - Bittersüße Jahre der Sehnsucht
Royal.“
Royal erwiderte ruhig den sorgvollen Blick der alten Frau. „Mein guter Ruf kümmert mich herzlich wenig, wenn es darum geht, meinen Vormund vor dem Zugriff der Engländer zu bewahren.“
„Und deshalb darf keiner von seinem Hiersein wissen“, entschied Alba bestimmt. „In diesen Zeiten kann man niemandem mehr trauen. Man hört überall von Denunziationen.“
Royal schluckte. War es schon so weit gekommen, daß man dem Nachbarn nicht mehr vertrauen konnte? Nun, sie würde ihr möglichstes tun, Damon Routhland vor allem zu bewahren, vor den Briten und, wenn es darauf ankäme, selbst vor dem Tod. Sie würde allem trotzen.
Gegen Albas unmutigen Einspruch, es schicke sich nicht für eine junge Lady, mit einem Gentleman in seinem Schlafzimmer allein zu bleiben, verwahrte sich Royal. In seinem gegenwärtigen Zustand könne der Bewußtlose wohl kaum eine Gefahr für irgendwen bedeuten. Das schien selbst den moralischen Vorbehalt Albas zu entkräften.
Endlich waren die beiden alten Leute draußen, und Royal fand sich mit Damon Routhland allein. Tobias mußte den Verwundeten rasiert haben, und Royal legte die Hand gegen die Wange des Mannes. Zwar immer noch heiß, schien sie doch nicht mehr zu glühen. Royal tauchte ein reines Tuch in die Schüssel mit frischem Wasser und legte es dem Fiebernden auf die Stirn. Dann saß sie still neben dem Bett und hielt die Hand des Bewußtlosen in ihrer. Wer konnte ihm das nur angetan haben? Er war so blaß und immer noch nicht bei sich.
Zärtlich strich sie ihm über das schwarze Haar und flüsterte, indem sie gegen das Schluchzen ankämpfte: „Ich verlasse dich nicht, Damon, ich verlasse dich niemals.“
Es war, als würden die leisen Worte in die Welt der Dunkelheit eindringen, in der nur Raum war für den pochenden, betäubenden Schmerz. Damon Routhland hatte das Gefühl, sein ganzer Körper stünde in Flammen, und er verlangte nach kühlem Wasser. Irgendwo in seiner Verlorenheit nahm er gleichwohl den Klang der Stimme wahr, spürte das feuchte Tuch auf den Lippen und hatte doch nicht die Kraft, die Flüssigkeit einzusaugen. Er konnte es nicht fassen. Diese Stimme, die ihm so ermutigend zuflüsterte, sie gehörte der schönen Royal Bradford, und das tröstete ungemein.
*
Gerade bevor die erste Morgenröte den Himmel zu erhellen begann, dröhnte der jagende Hufschlag vieler Pferde in die lastende Stille der Sümpfe. An der Spitze der britischen Brigade ritt der junge Duke of Chiswick. In seinen Augen brannte Zorn. Nun sollte Vincent Murdock büßen, daß er sich nicht nur gegen die englische Krone verräterisch aufgelehnt, sondern auch die Rechte der Menschlichkeit mit Füßen getreten hatte.
Sie hatten das Lager erreicht und schreckten bei der Ankunft die Banditen aus dem Schlaf auf. Hunde bellten und rissen an den Ketten. Die Männer drängten, völlig überrumpelt, ins Freie und sahen sich sogleich von Soldaten umstellt. Der Duke lenkte sein Pferd geradewegs auf die Blockhütte zu, wo er Murdock zu finden hoffte. Preston schwang sich aus dem Sattel, und gleich kam ihm eine Frau entgegen. Man hätte sie ungewöhnlich hübsch nennen können, wären nicht die armseligen Lumpen schmutzig, die schweren glatten Haare so verfilzt gewesen.
Sie warf den Kopf mit einem schrillen Auflachen zurück und höhnte: „Zu spät, Engländer, Murdock ist längst fort. Habt ihr Rotröcke etwa gemeint, er würde auf euch warten? Er ist viel zu schlau für euch Dummköpfe.“ Wieder lachte sie gellend und spuckte dem Duke vor die Füße.
Er trat einen Schritt näher an die Frau heran und packte sie hart am Arm. „Wo ist er?“ stieß er zwischen den Zähnen hervor.
„Rede, Weib, oder ich vergesse mich.“
Sie verzog das Gesicht zu einer höhnischen Grimasse. „Keiner kann wissen, wohin mein Murdock geht und wann er wiederkommt. Aber er hat mir was aufgetragen für Sie, Engländer, eine kleine Botschaft zum Empfang.“
Der Duke stieß sie von sich. Er tobte innerlich bei dem Gedanken, daß ihm Murdock entwischt sein sollte. Der Duke wandte sich ab und schüttelte den Kopf. „Es bedeutet mir nichts, ob dieser Bandit mir etwas ausrichten läßt, Weib.“
„Das sollte es aber“, schrie sie hämisch. „Mein Murdock läßt Sie warnen, Engländer. Wenn Ihnen etwas ganz besonders am Herzen liegt, passen Sie nur ja gut drauf auf, denn mein Murdock wird es finden und vernichten. Das läßt er Ihnen sagen.“
Der Duke warf ihr einen flammenden Blick zu. „Mir liegt
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