Banyon, Constance - HG 032 - Bittersüße Jahre der Sehnsucht
mußte zu Pferd gekommen sein. „Ich schätze es sehr, daß Sie bei diesem schlechten Wetter hierher geritten sind, um mit mir zu sprechen, Mr. Routhland.“
„Wollen Sie mich nicht lieber Damon nennen?“
„Ich glaube, das gehörte sich kaum, Mr. Routhland. Mein Vater würde es nicht billigen, wenn ich einen erwachsenen Gentleman mit seinem Vornamen anredete.“
Er lachte leise und belustigt auf. Dieses kleine Mädchen war richtig bezaubernd mit den goldblonden Locken, die sich um das schöne Gesicht ringelten, und mit den großen blauen Augen. Eben suchte sie ein Gähnen zu unterdrücken und lächelte wie ein Kind, das sich entschuldigen möchte. Sie lehnte den Kopf in dem Sessel zurück und wartet^, daß der Vormund ihr erklärte, warum er sie so spät aufgesucht hatte.
„Ich will Sie nicht lange stören, sondern Ihnen nur mitteilen, wie ich mir Ihre Zukunft vorgestellt habe. Auf diese Weise ist das alles vielleicht weniger bedrückend für Sie.“
Scheu sah sie unter halbgesenkten Wimpern zu ihm auf. „Ich bin froh, daß Sie mein Vormund sind. Ich stehe in Ihrer Schuld, denn Sie sind so freundlich zu mir.“
Eine Weile beobachtete Damon das Spiel der Flammen, so als erinnerte er sich an etwas. Als er sich Royal von neuem zuwandte, schien sich der Feuerschein in seinen goldbraunen Augen zu spiegeln.
„Man könnte es auch so ausdrücken: Ich habe das Sorgerecht für Sie übernommen, um Ihrem Vater endlich eine Schuld zu begleichen, die seit langem überfällig gewesen war.“
„Eine Schuld?“ fragte sie neugierig.
„Mein Vater kam mit Ihren Eltern in die Kolonien herüber. Aber er hatte kein Geld. Ihr Vater war es, der seinem Freund genug lieh, so daß er Land erwerben und Swan Plantation aufbauen konnte.“
„Das wußte ich nicht. Papa hat mir nie etwas davon erzählt.“
„Und doch war es so. Soll ich Ihnen ein Geheimnis anvertrauen, das mit Ihrer Mutter zu tun hat?“
„O ja, bitte.“ Sie war ganz Ohr, denn sie hatte ihre Mutter so gut wie nicht gekannt.
„Ich war noch ein Junge, aber ich liebte Ihre Mutter über alles. Sie war eine sehr schöne Frau, und ich glaube, jeder Mann in Savannah bewunderte sie sehr. Sie freilich liebte nur Ihren Vater. Für mich war sie immer das Idealbild der Frau überhaupt. Einmal, ich mag ungefähr sechs Jahre alt gewesen sein, gestand sie mir, daß sie auf mich gewartet hätte, wäre sie nicht mit Ihrem Vater verheiratet gewesen.“
Royal sah ihn voll Bewunderung an. „Jeder in der Stadt weiß, wie Ihnen die Frauen nachlaufen.“
Er lachte wohltönend. „Kleine Mädchen, wenn sie so wohlerzogen sind wie Sie, hören nicht auf solchen Klatsch.“
Royal zog die Beine unter sich und kuschelte sich behaglich in dem Sessel zurecht. Dann fragte sie Damon: „Wissen Sie etwa nicht, daß die Hälfte aller Damen in Savannah in Sie verliebt ist?“
„Nur die Hälfte?“ Er zog mit gespielter Entrüstung eine Braue hoch.
„Die anderen sind entweder verheiratet oder viel zu alt“, gab sie zurück. „Aber vielleicht sind sie es trotzdem?“
Ihm entging nicht, wie Alba entsetzt die Luft einzog, und so gab er sich den Anschein eines würdigen Erwachsenen. „Soviel Aufmerksamkeit seitens der Damen bedeutet eine große Verantwortung für einen Mann meines Alters.“
„Wie alt sind Sie denn?“ erkundigte sie sich sofort.
„Fünfundzwanzig“, gab er mit einem warmen Lächeln zu.
Sie überlegte. Zwar war er jünger, als sie angenommen hatte, aber für eine Vierzehnjährige immer noch alt. Sekundenlang sann sie, dann stellte sie die Frage, die sich ihr aufdrängte. „Warum sind Sie dann nicht längst verheiratet?“
„Sie kleiner Quälgeist.“ Er lachte belustigt. „Wenn ich Ihren Worten Glauben schenke, würde ich doch mit meiner Vermählung der Hälfte aller Damen in der Stadt das Herz brechen. Und das geht doch ganz gewiß nicht.“
Royal nickte zustimmend. Der grüblerische Ausdruck ihres Gesichtes machte es Damon schwer, nicht über die goldblonden Locken zu streichen.
„Hat Ihnen noch nie jemand gesagt, daß Sie sehr altklug sind? Ihr Vater muß mit Ihnen unendlich viel Spaß gehabt haben.“
Sie seufzte tief und fuhr sich mit der Zunge über die ausgetrockneten Lippen. Ungeweinte Tränen verschleierten die blauen Augen. „Mein Vater war auch mein bester Freund. Und das wird er immer bleiben.“ Sie schlug die Lider nieder in der Hoffnung, nicht zu weinen anzufangen.
Damon konnte sich der zärtlichen Gefühle nicht erwehren, die ihn
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