Banyon, Constance - HG 032 - Bittersüße Jahre der Sehnsucht
wissen.“
„Eigentlich ist es sehr schwierig, Damon Routhland zu beschreiben. Er ist ein wunderbarer Mensch. Ich habe es oft schon bedauert, daß ich zu spät geboren bin und er in mir immer nur ein kleines Mädchen sehen wird.“ Royal schaute Lady Alissa nachdenklich an. „Hast du dich schon jemals so sehr nach etwas gesehnt, daß es schmerzte?“
„O ja“, sagte Lady Alissa mit einem Anflug von Traurigkeit. „Ich hatte nur den einzigen Wunsch, um Holdens willen wieder gehen zu können. Und nun habe ich es wirklich erreicht.“
„Wie schön für euch beide.“
„Und du, was ist dein innigster Wunsch?“ fragte Lady Alissa.
Royal zögerte, ihr tiefstes und gewiß sehr arges Verlangen in Worte zu kleiden. „Ich denke nicht so selbstlos und edel wie du“, räumte sie endlich stockend ein. „Was ich mir wünsche, ist sehr selbstsüchtig. Ich möchte nur, wenn ich erwachsen bin, so schön sein, daß Damon Routhland es bemerkt.“ Sie zog einen Schmollmund. „Natürlich ist er seit vielen Jahren daran gewöhnt, daß die schönsten Frauen alles daransetzen, seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Ich kann mir deshalb gar nicht vorstellen, daß er mich auch nur zur Kenntnis nähme.“
Lady Alissa forschte sekundenlang in den regelmäßigen Zügen der Freundin und bemerkte jetzt erst die zarten Linien des schmalen Gesichtes. „Ich meine, dieser Wunsch könnte wirklich in Erfüllung gehen, Royal. Zweifellos wirst du eines Tages eine ausgesprochene Schönheit sein. Mein Bruder Preston findet dich jetzt schon sehr reizend.“
„Wirklich? Hat er dir das gesagt?“
„Natürlich nicht. Aber ich weiß es trotzdem.“
„Ist dein Bruder auch verlobt?“
„Ja. Leider ist er nicht in der gleichen glücklichen Lage wie ich. Er kann seine Braut, Lady Alice Stratton, nicht ausstehen und schiebt deshalb den Hochzeitstermin immer wieder auf. Da Nathan und Honora keine Kinder haben, ist Preston der nächste Anwärter auf den Titel des Duke und muß sich entsprechend gut vermählen. Lady Alice entstammt einer sehr einflußreichen und alten Familie des Hochadels.“
„Warum sollen dein älterer Bruder und seine Frau nicht noch selbst einen Erben bekommen?“
„Honora hat einige Male ein Kind erwartet und es jedesmal verloren. Außerdem, – es klingt zwar schrecklich, wenn ich das so sage – außerdem bin ich sicher, daß Honora keine gute Mutter wäre.“
Die tiefstehende Abendsonne warf einen sanften Schein über das schöne Gesicht der jungen Lady. „Erzähl mir mehr von deiner Tante Arabella. Sie muß ein schrecklich aufregendes Leben haben. Ist sie wirklich eine so berühmte Schauspielerin?“
Mit strahlenden Augen nickte Royal. „Sie ist eine überaus schöne und geistreiche Frau und ein sehr liebenswürdiger Mensch.“ Sie senkte die Stimme und sah sich um, als fürchtete sie, belauscht zu werden. Dann beugte sie sich näher zu Alissa. „Gewiß ist sie auch eine überaus begabte Darstellerin, sonst hätte sie nicht so viele Verehrer. Ich glaube, alle Männer, die sie kennen, liegen ihr zu Füßen.“
„Wunderbar“, sagte Lady Alissa. „Du hast eine richtig aufregende Tante. Werde ich sie auch einmal kennenlernen?“
„Eigentlich wollte sie ja den Sommer mit mir verbringen, aber wahrscheinlich holt sie den Besuch zu Weihnachten nach.“
Lady Alissa war nachdenklich geworden. „Mein Bruder Preston war einmal in eine Schauspielerin verliebt. Natürlich hat Nathan der Sache sehr schnell ein Ende gemacht. Ich frage mich, ob Preston dich deinen Damon Routhland vergessen lassen könnte? Leider redet mein lieber Bruder mit mir nicht über seine Herzensgeschichten. Außerdem bevorzugt er reifere Frauen. Schade, so werden wir es nie erfahren.“
In den folgenden Tagen und Wochen öffnete sich für Royal Bradford eine völlig neue Welt mit eleganten Teegesellschaften, Bällen und Pferderennen. Man führte sie in die adeligen Familien ein, und als Freundin Lady Alissa Seatons fand Royal überall freundliche Aufnahme. Einige vornehme Herren bekundeten ihr Interesse für die junge Dame, die das ihrerseits kaum bemerkte. Sie hatte nur Gedanken für zwei Männer, einen mit heiteren blauen Augen und einen mit unergründlichen goldbraunen.
Zu Royals Leidwesen ließ sich Lord Preston nicht auf Chiswick Castle blicken, und Alissa vertraute ihr an, bei den Dienstboten mache ein Gerücht die Runde, eine hübsche Bürgerliche habe ihn ganz und gar mit Beschlag belegt.
Viel zu schnell ging der Sommer seinem
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