Banyon, Constance - HG 032 - Bittersüße Jahre der Sehnsucht
später ziemlich viel Zeit verstreichen lassen, bevor Preston und dann auch ich zur Welt kamen. Und ich warne dich gleich, Royal. Nathan ist steif und schrecklich würdevoll, aber Honora ist das gräßlichste Geschöpf, das mir je über den Weg gelaufen ist. Na, du wirst ja selber sehen.“
Royal war nicht gerade begeistert, den Duke und seine Gattin kennenzulernen, und blieb nahe hinter der Freundin stehen, als sie den riesigen Salon betreten hatten. Der Duke und die Duchess of Chiswick saßen beim Fenster und tranken Tee. Sie hoben die Köpfe und schienen ziemlich ungehalten wegen der Störung.
„Steh nicht so herum, Alissa“, tadelte der Duke seine Schwester. „Komm her, und stell uns deine Freundin vor.“ Man hörte es deutlich an dem schleppenden Tonfall, daß Alissas Bruder keineswegs daran interessiert war, die Bürgerliche aus den Kolonien kennenzulernen.
„Hier bringe ich euch Miss Bradford, Nathan. Royal, dies sind mein Bruder Nathan und meine Schwägerin, der Duke und die Duchess of Chiswick.“
Royal versank in einem tiefen Knicks und musterte das Paar unauffällig; Der Duke glich seinen Geschwistern überhaupt nicht und war keineswegs hübsch oder anziehend. Der Ausdruck blasierter Langeweile trug auch nicht gerade dazu bei, den nicht allzu großen Mann mit den schmalen Lippen sympathischer wirken zu lassen. Die Duchess war überschlank, beinahe mager, und hatte eine überaus kunstvolle hohe Perücke.
„Haben Sie Dank für die liebenswürdige Einladung, Euer Gnaden“, sagte Royal. Dabei bebte ihre Stimme ein wenig.
„Wenn ich recht verstanden habe, kommen Sie aus den Kolonien“, fuhr der Duke fort. „Ich habe es schon immer gewußt, daß uns dieses gottverlassene Land voller Wilder noch einmal Kummer machen würde.“
Royal schwieg. Was hätte sie darauf auch antworten sollen?
„Sie brauchen uns nicht zu danken, Miss Bradford“, ließ sich nun die Duchess kühl vernehmen. „Alissa mußte jemanden haben, der ihr Gesellschaft leistet, nachdem ihre Mutter darauf besteht, sie den Sommer über hier zu haben. Ich erwarte, daß ihr beide euch möglichst unauffällig verhaltet. Überfallt uns ja nicht, ohne von uns eingeladen zu sein.“
Betroffen wich Royal einen Schritt zurück und stand nun neben Lady Alissa, die unbekümmert eine pralle Pflaume aus einer Schüssel fischte und sich in den Mund schob.
„Seid ganz unbesorgt“, sagte sie seelenruhig. „Wir werden alles tun, euch so wenig wie möglich zu belästigen. Los, Royal, wir wollen uns vergnüglichere Gesellschaft suchen.“
„Welch unmögliches Mädchen“, bemerkte die Duchess zu ihrem Gatten. „Ich bin immer wieder froh, daß wir keine eigenen Kinder haben. Ein äußerst unangenehmes Geschöpf, unsere liebe Alissa.“
Lachend zog die so Getadelte ihre Freundin mit sich hinaus. „Siehst du, ich hatte dich gleich gewarnt, daß sie gräßlich sind, alle beide. Nun habe ich meine Familienpflicht erfüllt und dich vorgeführt. Jetzt können wir uns angenehmeren Dingen zuwenden. Erst einmal will ich dir Chiswick Castle zeigen. Komm, Royal.“
Royal Bradford nickte und folgte Lady Alissa.
*
Die Sonne hatte den Himmel im Westen schon mit einem rosigen Schein überzogen, als die beiden Freundinnen noch draußen im Park saßen und gekühlte Limonade tranken.
„Erzähl mir mehr über deinen Vormund“, bat Lady Alissa. „Ist er verheiratet?“
„Nein. Damon Routhland hat sich noch nicht gebunden, wenigstens bisher nicht. Aber alle Damen von Savannah sind von ihm geradezu hingerissen.“
„Sagtest du nicht, er sei noch jung und sehe sehr gut aus?“
„Gar so jung ist er auch nicht mehr. Sechsundzwanzig, nein, sogar schon siebenundzwanzig, aber sehr hübsch und sehr gütig.“
Alissa Seaton lachte herzlich auf bei diesen Worten. „Ein Mann mit siebenundzwanzig ist keineswegs alt, Royal. Ich bin verlobt, und mein zukünftiger Ehemann ist neunundzwanzig. Dabei ist er kein bißchen alt.“
Verwundert sah Royal sie an. „Ich weiß wohl, daß du verlobt bist, aber ich hätte nie gedacht, daß dein Bräutigam schon so … schon fast dreißig ist. Liebst du ihn eigentlich?“
„O ja, sehr. Ich kann es kaum erwarten, seine Frau zu werden. Seit meinem zwölften Geburtstag bin ich Holdens Braut.“ Aus ihrem Blick sprach Zärtlichkeit. „Ich kann mich nicht erinnern, daß es jemals eine Zeit gegeben haben könnte, da ich ihn noch nicht liebte. Genug jetzt von mir. Ich möchte alles über deinen hübschen Vormund
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