Banyon, Constance - HG 032 - Bittersüße Jahre der Sehnsucht
nun wähnen Sie, daß ich – wenn Sie mich … bezaubern – daß ich so verrückt wäre, das in die Wege zu leiten. Ihr Fehler, meine Schöne.“
„Colonel“, tadelte sie freundlich, „Sie wollen mich doch nicht etwa glauben machen, daß sich eine Frau mit Ihnen nur beschäftigte, um für einen anderen Mann die Karriereleiter zu halten?“
Damon Routhland runzelte die Stirn. Diese Frau versetzte ihn immer von neuem in Erstaunen und erregte ihn über alle Maßen. Noch war es nicht zu spät, das Spiel zu beenden, und es war ihm klar, daß er besser daran täte. Die Unbekannte konnte ihn in Schwierigkeiten bringen, in Gefahr. Und doch hielt ihn das nicht ab. Er mußte herausfinden, wer sie war und was sie von ihm wollte.
„Dann verraten Sie mir wenigstens, welche Art von Gefallen ich Ihnen erweisen soll, wenn ich Ihr Geheimnis nicht lüften kann“, sagte er kehlig.
Sie lächelte. „Sie werden es erfahren, sobald ich das Spiel gewonnen habe.“
Selbst das Klappern der Pferdehufe erstickte im dichten Nebel. Die Fahrt in der geschlossenen Kutsche hätte Royal glauben machen können, sie und Damon Routhland wären allein auf der ganzen Welt. Die Laterne draußen schwang hin und her und tauchte dabei das Gesicht des Colonels abwechselnd in Licht und Schatten. Völlig unerwartet streckte er den Arm aus und holte Royal mit einer blitzschnellen Bewegung auf seine Knie. Ein spöttisches Lächeln huschte über seine Züge.
„Sobald ich Sie geküßt habe, werde ich wissen, ob wir einander kennen. Einen Kuß vergesse ich nicht, wenn er der Erinnerung wert war, und ich bin überzeugt, daß der Ihre sich sehr tief in mein Gedächtnis eingeprägt hätte.“
Bevor Royal auch nur an Gegenwehr denken konnte, fühlte sie seine Lippen auf den ihren. Sie wand sich und suchte sich aus der Umklammerung zu befreien. Was sollte das, was tat er? Das war kein Teil des Spieles, das sie sich ausgedacht hatte. Damon Routhland bog ihr den Kopf in den Nacken und hinderte sie, auch nur noch eine Bewegung zu machen. Und plötzlich verließ Royal alle Kraft unter der leidenschaftlichen Berührung seines Mundes. Mit der Zungenspitze strich er über ihre Lippen, und sie glaubte zu ersticken. Der Kopf schwirrte ihr. Das Herz hämmerte wie toll. Und was unfaßlich schien, war der Wunsch, dieser Kuß möge niemals enden.
Ebenso unvermittelt, wie Damon Routhland Royal an sich gezogen hatte, gab er sie auch wieder frei. Sie sank auf den Sitz zurück und spürte das Blut in den Schläfen pochen.
„Nein, ich habe Sie nie zuvor geküßt“, stellte er bestimmt fest. „Und ich könnte schwören, überhaupt kein Mann hat es bisher getan. Sie sind nicht so erfahren, wie Sie mich gern glauben machen möchten.“
„Aber man hat mich schon geküßt“, stieß sie empört hervor, immer noch atemlos.
Damon Routhland lachte leise. „Vielleicht doch, wer weiß? Vielleicht spielen Sie auch nur die Unschuldige, um Ihr Ziel zu erreichen.“
Royal sah ihn an. Wie konnte er so gelassen sein nach diesem Kuß, der ihr das Blut schneller durch die Adern jagte? Sonderbar. Als Preston Seaton sie geküßt hatte, war es keineswegs so aufregend gewesen. Bei der Erinnerung an den jungen Lord empfand Royal ein jähes Gefühl der Treulosigkeit, des Verrates an dem Freund, der in Gefahr war. Sie wandte den Kopf zur Seite, um dem forschenden Blick Damon Routhlands zu entgehen.
„So haben Sie immer noch nicht herausgefunden, wer ich bin?“
„Sie setzten mir eine Frist bis Sonnenaufgang. Bis dahin haben wir noch mehr als sechs Stunden Zeit.“
„Gut, bis Sonnenaufgang. Dann aber werde ich Sie um jenen Gefallen bitten. Geben Sie mir Ihr Ehrenwort, daß Sie meine Bitte erfüllen wollen?“
„Wenn es in meiner Macht steht, Ihrem Wunsch nachzukommen, werde ich es ganz bestimmt tun.“
„Es liegt in Ihrer Hand, Colonel, seien Sie dessen sicher.“
9. KAPITEL
Liebster Papa,
woher kommen auf einmal diese Gefühle für Damon Routhland? Wenn ich nur an ihn denke, fange ich an zu zittern, mein Herz klopft wie toll, und ich fühle mich zum Umfallen schwach. Was ist bloß mit mir geschehen?
In Gedanken schrieb Royal diese kurzen Zeilen schon in ihr Tagebuch, als der Wagen zum Stehen kam und der Colonel sie heraushob.
Im Inneren des kleinen Landhauses trat ihnen Routhlands Adjutant entgegen, ihm die Pelerine abzunehmen. Da Corporal Thomas daran gewöhnt war, seinen Vorgesetzten in Begleitung schöner Frauen heimkehren zu sehen, zuckte er mit keiner Wimper
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