Banyon, Constance - HG 032 - Bittersüße Jahre der Sehnsucht
… keine solche Beziehung zueinander hatten, Colonel Routhland.“
Unbeirrt hob er die Rechte und strich sanft über Royals Lippen. „Nein, noch nicht, meine Schöne. Aber was soll ein Mann sonst von einer Frau denken, die ihn aufsucht und schließlich in seine Wohnung begleitet?“
Bestürzt schaute Royal auf die Uhr über dem Kaminsims. Mindestens drei Stunden würden noch vergehen, ehe der Tag graute. Wie sollte sie bis dahin dem stürmischen Werben Damon Routhlands standhalten können?
„Sie mißdeuten meinen Besuch, Colonel, und täuschen sich in mir. Ich bin keine … ich meine, ich habe noch niemals …“
Er zog sie an sich. „Wir beide wissen genau, was Sie von mir wollen, nicht wahr? Wenn eine Frau freiwillig einem Mann in sein Schlafzimmer folgt, gibt sie ihm damit unmißverständlich etwas zu verstehen. Und Sie sollten sich nicht vor den Folgen Ihres Handelns scheuen. Das verstehen Sie doch, Sie waren sich dessen bewußt, als Sie einwilligten, mit mir hierherzufahren, oder etwa nicht?“
Preston! Sie mußte ihm helfen. Er brauchte sie.
„Ich bin bereit zu tun, was unumgänglich ist, Colonel Routhland. Aber warum versuchen Sie nicht endlich, hinter meine Maske zu schauen, wie wir es abgemacht haben?“ Sie versuchte ihn abzulenken, Zeit zu gewinnen. Damon Routhland schüttelte heftig den Kopf, als könnte das die Gedanken klären, die sich überstürzten. Immer noch konnte er nicht sagen, ob diese Frau so unschuldig oder so erfahren war, wie es in schnellem Wechsel den Anschein hatte. Aber konnte eine Frau, bewandert in allen heimlichen Künsten der Verführung, so überzeugend das Unschuldslamm mimen? Das müßte doch eine ungewöhnlich begabte Schauspielerin sein.
„Das Spiel geht demnach wohl weiter? Gut.“ Er trat von ihr weg an den Tisch und füllte zwei Gläser aus einer Karaffe. „Vielleicht sollten wir uns ein wenig stärken für das, was noch kommen kann?“
Nur sehr zögernd nahm Royal das Glas und wartete, bis Routhland getrunken hatte. Dann nippte sie unschlüssig. Der starke Alkohol brannte ihr wie flüssiges Feuer in der Kehle. Royal rang hörbar nach Atem und fühlte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. Sie hustete widerwillig, und er lachte belustigt.
„Eine Frage hat sich hiermit beantwortet. Sie sind ganz und gar nicht an dergleichen gewöhnt. Vielleicht sind Sie kaum der Schulbank entwachsen. Zwar hoffe ich sehr, dem wäre nicht so. Man hat mir bisher noch nie vorwerfen können, unschuldige Mädchen verführt zu haben.“
Er konnte freilich nicht ahnen, wie nahe er mit dieser Feststellung bereits der Wahrheit gekommen war. Mit einem trotzigen Blick setzte Royal das Glas an die Lippen und trank einen tiefen Zug. Diesmal lief ihr eine warme Welle durch den ganzen Körper. Ihr schwindelte, und mit trügerischer Tollkühnheit sagte sie: „Zurück zu unserer Vereinbarung, Colonel. Stellen Sie Ihre Fragen. Ich werde antworten.“
Er nahm ihr das Glas aus der Hand und stellte es auf den Tisch. „Wollen wir uns nicht setzen?“
Sie tat, was er vorgeschlagen hatte, und er nahm ihr gegenüber Platz. „Weiter, geheimnisvolle Dame. Wir waren uns bereits einig, daß Sie gerade aus England herübergesegelt sind, ist es so, wie ich es sage?“
„So ist es.“
„Darf ich dennoch annehmen, daß Sie vorher schon einmal hier in meiner Heimat gewesen sind?“
„Auch das ist richtig. In der Vergangenheit habe ich mich länger in Georgia aufgehalten.“
Er forschte in den feingeschnittenen Zügen. Irgendwo im Unterbewußtsein regte sich die Erinnerung an ein Paar trauriger blauer Augen gleich denen, aus denen sie zu ihm aufschaute.
„Dann kann ich Sie aber nur sehr flüchtig gekannt haben. Ich habe ein recht gutes Gedächtnis und hätte Sie sonst gewiß nicht vergessen.“
Ihr fiel ein, daß er in ihre Tante Arabella verliebt gewesen war, und sie versuchte, ihm einen deutlicheren Hinweis zu geben. „Man könnte sagen, Sie haben eine weibliche Verwandte von mir wesentlich besser gekannt als mich, Colonel.“
Er hob in gespieltem Entsetzen die Hände. „Nicht das, ich flehe Sie an. Machen Sie mich nicht glauben, ich wäre der Liebhaber Ihrer Schwester gewesen oder gar der Ihrer Mutter oder der einer jeden von Ihnen!“
Royal lächelte beinahe schalkhaft. „Überschätzen Sie da Ihre Fähigkeiten nicht sehr, Colonel?“
Er beugte sich näher zu ihr und wurde ernst. „Sie haben versprochen, ehrlich zu sein. Sind Sie eine britische Spionin? Hat man Sie hierhergesandt,
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