Baphomets Bibel
dann gezielt zuzuschlagen. Wie es eben seine Art ist.«
Mein Freund Godwin hielt sich mit einer Antwort zurück, was mich wunderte. »Warum sagst du nichts? Bist du anderer Meinung?«
»Ja, irgendwie schon.«
»Begründe sie, bitte.« Ich stand jetzt auf und ging durch das kleine Zimmer. Vor dem Fenster hielt ich an, und da hörte ich schon wieder Godwin’s Stimme.
»John, er besitzt durch das Buch ein Machtpotenzial. Davon muss man einfach ausgehen. Und er weiß, dass du derjenige bist, der sich noch in seiner Nähe aufhält. Es könnte sein, dass er dich beobachtet hat und nun deinen Aufenthaltsort kennt. Meinst du, dass er sich diese große Chance entgehen lässt?«
Mein Lächeln konnte er nicht sehen. Dafür hörte er meine Antwort. »Du hast mich nachdenklich gemacht.«
»Würde mich freuen.«
»Dann müsste ich mich hier mal genauer umschauen.«
»Willst du, dass ich komme?«
»Wäre nicht schlecht, Godwin, aber du kannst nicht fliegen.«
»Ich könnte morgen bei dir sein.«
»Genau darum geht es. Um die Stunden dazwischen. Um die Nacht, wenn man es genau nimmt. Es ist die Zeit, die er oder ich nutzen können. Aber ich weiß auch nicht, ob er sich schon mit dem Inhalt des Buches angefreundet hat.«
»Wie ist dein Verhältnis zur dortigen Polizei?«, erkundigte sich Godwin.
»Nun ja, neutral. Man legt mir keine Steine in den Weg. Das ist geregelt worden.«
»Dann würde ich an deiner Stelle die Kollegen bitten, eine Fahndung einzuleiten. Gib ihnen die Beschreibung von van Akkeren, dann könnte es klappen.«
»Das werde ich mir überlegen müssen, Godwin. Auf eines kannst du dich verlassen. Ich werde die Hände nicht in den Schoß legen und möchte dich auch bitten, auf der Hut zu sein. Es könnte sein, dass er den Weg nach Alet-les-Bains findet.«
»Keine Sorge, Partner. Da werde ich meine Instruktionen schon verteilen.«
»Sehr gut.«
Über den weiteren Aufbau des Klosters sprachen wir nicht. Das war einfach kein Thema. Hier ging es um wichtigere Dinge. Van Akkeren war alles zuzutrauen, aber eines war er nicht – berechenbar. Und er musste auch nicht allein unterwegs sein. Sehr oft verließ er sich auf seine Helfer, und da fanden sich immer wieder welche.
Als ich das Handy abschaltete, wusste ich, dass ich einen Templer-Freund mit einigen Sorgen zurückließ. Die quälten mich auch. Nur war ich näher dran als er.
Ich öffnete das Fenster. Dunkelheit breitete sich wie ein Schwamm aus. Ich starrte in sie hinein. Ich sah einen Teil der Kathedrale als einen gewaltigen Umriss in den Himmel ragen und konnte auch die beiden höchsten Türme sehen, die wirklich das Bild dieser Stadt prägten.
Die Luft war kühl. Sie tat mir gut. Ich atmete sie tief ein, und ich spürte dabei etwas in meiner Nase, das ich schon kannte. Es war der Essensgeruch, den ich bei meinem Eintreten schon »genossen« hatte.
Egal, ob van Akkeren die Bibel nun in seinen Händen hatte oder nicht, ich konzentrierte mich auf das Menschliche in mir. Hunger musste gesättigt werden, und man hatte mir versprochen, dass es hier unten etwas zu essen gab. Eine Kleinigkeit wäre nicht schlecht gewesen. Außerdem verspürte ich Durst. Meine Kehle war recht trocken geworden. Van Akkeren lief mir bestimmt nicht weg.
In Frankreich isst man eben später, und so war ich sicher, dass ich auch um diese Zeit noch etwas bekommen würde.
Der Mann hatte sich umgezogen. Er trug jetzt einen eleganten dunkelblauen Anzug, ein hellblaues Hemd und dunkle Krawatte. In diesem Outfit hätte er den Vorstandsposten einer Bank übernehmen können, und er wäre auch auf einem großen Fest nicht aufgefallen.
Beides kam für ihn nicht in Frage. Er befand sich in einem Haus, das er schon vor Tagen gemietet hatte. In den warmen Monaten wurde es an Pilger und Touristen vermietet. Jetzt stand es leer, und Vincent van Akkeren konnte sich ausbreiten.
Ihm standen mehrere Zimmer zur Verfügung. Er hielt sich zumeist im größten Raum auf, wo die Einrichtung aus einer bequemen Couch und mehreren Sesseln bestand.
Dort blieb er sitzen und dachte nach. Das heißt, er hatte es in der Vergangenheit getan. Jetzt nicht mehr, denn das Nachdenken hatte sich für ihn gelohnt.
Ein Traum war in Erfüllung gegangen. Er besaß die Bibel. Sie befand sich in seinen Händen. Sie war das Kleinod überhaupt, und sie war der Griff zu einer Macht, die er sich kaum vorstellen konnte. Er würde selbst Saladin, dem Hypnotiseur, überlegen sein.
Doch Saladin war jetzt nicht das Thema.
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