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Barakuda der Wächter 04 - Die Gipfel von Banyadir

Barakuda der Wächter 04 - Die Gipfel von Banyadir

Titel: Barakuda der Wächter 04 - Die Gipfel von Banyadir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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über Mischlinge verdeckten Handel mit Teilen des Südkontinents betrieb, für diese ›Lust-Löhne‹ Foldarmünzen aus diversen Shil-Gebieten.
    Ähnlich verhielt es sich mit städtischen Aspekten, Dienstleistungen, Handwerk etc. Jedem standen Stiefel zu; der Stiefelmacher konnte jedoch, nach Erfüllung seines Pflichtsolls, besonders geschmückte Stiefel herstellen und diese verkaufen, statt sie abzugeben …
    Kennzeichnend für die Arbeitsweise der unterschiedlichen Kommunen war die sogenannte ›Funktionshierarchie‹, mit der das Problem einer in der strikten Anarchie nicht vorgesehenen, bisweilen jedoch nötigen Leitung gelöst wurde. An Bord eines Schiffes gab es natürlich einen Kapitän; das Amt bestand, aber die Besetzung rotierte – jeden Tag trug ein anderes Mitglied diese Verantwortung.
    Auch in der Miliz, bei den ›Ordnern‹, die sowohl Militär als auch Polizei waren, wurden Ränge so besetzt. … Für eingeschleuste Agenten aus Cadhras bedeutete dies zweier lei: Erstens hatten sie sich allenthalben unausgesetzt in die Kommunen und die Funktionshierarchie einzupassen, es gab auch für sie keinerlei Zurückgezogenheit; zweitens verfügten in den zugänglichen Bereichen von Land und Gesellschaft alle über die gleichen unzureichenden Kenntnisse.
    Die eigentliche ›Führung‹ der Union blieb völlig anonym; es ist nicht einmal sicher, ob nicht über den theoretisch be kannten Gruppen der ›Kontrolleure‹ und ›Hochkontrolleu re‹ noch weitere Eliten existierten. Unbekannt ist ferner die ge naue Aufgabenverteilung unter den beiden genannten Gruppen; die Annahme, daß die Kontrolleure alles kontrollierten, was den Ordnern entzogen war, und daß die Hochkontrolleure ihrerseits die Kontrolleure kontrollierten, ist wahrscheinlich, aber unbeweisbar.
    Ein seltsames Phänomen hierbei war die sogenannte ›Realitätsverfälschung‹ und ihre Ahndung. Wie erwähnt war Realität eine Frage ihrer Definition; Realitätsverfälschung demnach die Behauptung einer andersartigen Realität. Ein sehr grobes Beispiel: Die anonymen Höchsteliten beschlie ßen, ›rot‹ sei fortan ›grün‹. Im Ort A lebt ein Kommunarde X, der an ›grün‹ festhalten will; er verfälscht die Realität und ist zu bestrafen. Aber nicht nur er – aus den umfassenden (und verlorenen) Dossiers der Hoch-/Kontrolleure ergibt sich, daß in B ein Mensch Y vielleicht an dieser Realitätsverfälschung interessiert sein könnte, wenn er davon erführe. Also wird Y vorbeugend behandelt … Grundlage der ›Behandlung‹ (Wahrwäsche genannt) war die These von der atavistischen, individuellen persona und der fortentwickelten, kommunen persona. Durch ›Wahrwäsche‹ wurde die kommune persona, soweit vorhanden, zerstört und neugeformt; hierbei sollten atavistische Reste der subkommunen Ur -persona au tomatisch vernichtet werden.
    … Neben Kontrollerwägungen war für das Prinzip, daß sexuelle Begegnungen nur in Gruppen mit ungeraden Teil nehmerzahlen geschehen durften, eine seltsame Phobie we sentlich: ›Spiegel und Kopulation sind abscheulich, denn sie vermehren die Illusion‹, wie es – ebenfalls auf der Stele der Wahren Wirklichkeit – heißt. Kontrollierte Fortpflan zung in dunklen, anonymen Zeugekammern sollte den Fortbestand der Gemeinschaft sichern; bei den quasirituellen ›Begegnungen‹ in Gruppen war der heterogenitale Zeugungsakt verboten … Über den Ursprung der Phobie bzw. Doktrin lassen sich nur Mutmaßungen anstellen. Zu striktem Vegetariertum, agrarischem Urkommunismus, anarchischer Funktionshierarchie mit Besetzungsrotation kamen jedoch noch zwei Aspekte, die vielleicht einen Zusammenhang mit der Phobie erschließen lassen: die beiden übrigen Elemente des Namens Anarchovegetarische Union der Ungläubigen Transzendentalisten. Die AVs bekannten sich zu einem (von der Definition der Realität abhängigen) Materialismus; in ihrem Weltbild gab es keine Götter oder sonstigen höheren Instanzen. Die faßbare Realität von Erde, Wasser, Kopulati on und Individuen galt ihnen jedoch als widerwärtig, als ›neu zu definieren‹, somit als zu überwinden. Sie scheinen davon überzeugt gewesen zu sein, daß ab einem bestimmten (eher: vagen?) Entwicklungsstand der Kommune und aller kommunen personae eine Entmaterialisierung in eine gemäß Wunschvorstellungen definierte Überrealität möglich sei – Weiterentwicklung zu einem Geistwesen, einem Überkollektiv, einer Superintelligenz. Hierzu bedurfte man einer möglichst

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