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Barakuda der Wächter 04 - Die Gipfel von Banyadir

Barakuda der Wächter 04 - Die Gipfel von Banyadir

Titel: Barakuda der Wächter 04 - Die Gipfel von Banyadir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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andere lebende Mensch. Nur einmal, an einer völlig unübersichtlichen Gabelung, zögerte er und schlug den nach Nordosten führenden Weg vor. Tremughati trat neben ihn, schloß die Augen und deutete dann in den südöstlichen Gang, der nach wenigen hundert Metern in einem weiten Bogen nach Ostnordost schwenkte.
    Ansonsten war die ehemalige Fürstin allein inmitten der anderen. Nicht geistesabwesend; sie nahm alles wahr, riet oder entschied, wenn etwas zu entscheiden war; nicht zerstreut, sondern so gesammelt, daß die Konzentration auf Inneres einen Wall bildete.
    Am vierten Tag im Licht der mitgeführten Fackeln und Handlampen »bereicherte« Barakuda die karge Kost – Trockenobst und Dörrfleisch –, indem er Nahrungskonzentra te aus Garnisonsbeständen in Wasser auflöste und verteilte. Zum Glück gab es überall reichlich Wasser – senkrechte Rinnsale, kleine Bäche, die den Weg eine Weile begleiteten und wieder verschwanden; am dritten Tag hatten sie einen kleinen unterirdischen See durchwatet und am Ufer erstmals Spuren der Verfolgten gefunden. Nach Ilahuans Meinung waren sie zehn bis zwölf Stunden alt; der Heiler gab allerdings zu bedenken, daß ohne Wind- und Sonneneinwirkung Spuren wohl anders gelesen werden müßten als an der Oberfläche.
    Nach der nächsten Schlafperiode erreichten sie eine riesi ge, feuchte Höhle. Am Eingang fanden sie zum ersten Mal Spuren von Bearbeitung: eine Art Torbogen aus glattem Stein, der Dante an die Blöcke der Taggabahn erinnerte. Die Höhle schien das Licht der Handscheinwerfer zu schlucken; sie war angefüllt mit doppelt mannshohen, kegelförmigen Pilzen, die unter metallischem Klirren zu Staub zerfielen, wenn man sie anstieß. Eine durch den Pilzwald gehauene Bahn zeigte, daß die AVs gar nicht versucht hatten, einen Weg um die Wucherungen zu finden.
    Auch der Höhlenausgang auf der anderen Seite bestand aus dem seltsamen glatten Stein; der nachfolgende Gang jedoch mochte wieder eine natürliche Gegebenheit sein. Er war rissig, uneben und änderte unausgesetzt die Richtung.
    Sie hatten vielleicht drei Kilometer zurückgelegt, als sich vor ihnen ein Wunder auftat. Der Gang mündete in eine neue Höhle, deren Ausmaße sich den geblendeten Augen erst ganz allmählich zeigten.
    Als das Licht der Fackel des vorangehenden Jägers in die Höhle fiel, erhellte sie sich langsam, als ob ein unsichtbarer Beleuchter einen stufenlosen Regler hochschöbe. Das Licht war warm und golden, erschien aber den an huschende Lam pen und Fackelgeflacker gewöhnten Augen zunächst als grell.
    »Die Halle der Singenden Säulen«, murmelte Ilahuan.
    Wie zuvor das Licht der Fackel, so wurde nun Ilahuans Stimme aufgenommen, vermehrt, verteilt; das Flüstern schwoll zu einem stürmischen Wisperchor an, verästelte und verzweigte sich, formte Klangblätter in entlegenen Teilen der Höhle und starb dann mit einem Rascheln wie von fallendem Laub.
    Es war ein gewaltiger Tropfsteindom, der alles je Gesehene übertraf. Säulen wuchsen wie glitzernde Nadeln aus dem Boden und hingen von der Decke des natürlichen Gewölbes. Die meisten wiesen unregelmäßige Bruchöffnungen auf und schienen hohl zu sein. Erz- und Mineralablagerungen, oft an Jahresringe erinnernd, färbten die Tropfsteine in sämtlichen kräftigen, weichen und schwingenden Schattierungen des Regenbogens. Trümmer herabgestürzter und geborstener Stalaktiten bildeten zwischen den Stalagmiten eine lockere zweite Bodenschicht. An den Wänden und in Steinsockeln aus Material, das nicht der Höhle entstammte, hatte jemand winzige Nischen geformt, halbkreisförmig.
    In diesen Nischen standen oder lagen Kristallkugeln. Von ihnen ging das warme, weiche, goldene Licht aus, das die ganze Halle füllte wie ein milder Willkommensgruß.
    Zwanzig Meter vom Eingang entfernt lag unter einem zerbrochenen Stalaktit ein Leichnam. Es war der eines Mannes aus Gashiri.
    Bis jetzt hatte atemloses, staunendes Schweigen geherrscht. Tremughati gab Zeichen, sich in den Gang zurückzuziehen.
    Als sie etwa zehn Meter von der Öffnung entfernt waren, seufzte Learoyd auf. »Herrlich. Und tödlich.«
    Tremughati nickte. Mit unbeteiligter Stimme sagte sie: »Wir müssen schweigend und einzeln durch die Halle gehen. Die Säulen verstärken jedes Geräusch. Lautes Reden oder der Klang vieler Schritte könnte tausend Hängende Säulen bersten lassen. Unsere Feinde waren leichtsinnig.«
    »Zehn«, knurrte Learoyd. »Neun im Tal, einer hier, und zwanzig waren es. Immer noch

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